Die Anti-Diplomatie des Sebastian Kurz

andreaTürkise Entwicklungshilfe ■ Es kommt überraschend, dass ausgerechnet Sebastian Kurz die ÖVP von Schwarz auf Türkis umfärbt. Nichts gegen die Farbe, nichts gegen den Stein und gar nichts gegen seine Herkunft, die aber der Berufspolitiker womöglich nicht bedacht hat. Der Name soll aus dem Französischen kommen. Turquois leitet sich vom „türkischen (Edelstein)“ ab, auf den Franzosen im 15. Jahrhundert im Gebiet der Türkei gestoßen waren, ohne zu wissen, dass er dort lediglich gehandelt wurde. Er kam wohl aus Persien. Der Türkis ist also ein wertvoller Migrant, der einst über den Umweg Türkei vermutlich auf der Balkanroute nach Europa kam.
Ein Kommentar von Andrea Sommerauer, erschienen in der UHUDLA-Ausgabe 107/2017


Heute könnte ein Türkis zum Beispiel aus Afghanistan oder aus China stammen. Er ist in Österreich willkommen, die Menschen aus den Edelsteinminen hingegen nicht. Die Schließung der Balkanroute, die Kurz so populär propagiert, wird dem Handel mit dem grün-blauen Schmuckstein nichts anhaben, den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung, Ausbeutung und Perspektivenlosigkeit flüchten, schon.
Doch das Schließen von Fluchtrouten ist nicht der einzige Plan, den PolitikerInnen verfolgen, um Schutz- und Perspektiven Suchenden die Aufnahme in Österreich oder in der EU zu erschweren. Rücknahmeabkommen sind ausgerechnet mit jenen Staaten geplant, aus und vor denen die Menschen flüchten. So etwas besteht bereits mit Afghanistan, in dem nach wie vor ein Krieg tobt.
Sebastian Kurz setzt auf Anti-Diplomatie. Er mimt den harten Mann und droht. Er kündigt an, jenen Ländern die Entwicklungshilfe zu kürzen, die solche Abkommen verweigern. Doch diese Drohung geht ins Leere. Denn jene vier außereuropäischen Länder, in die die heimischen Entwicklungshilfegelder schwerpunktmäßig fließen, weisen eine verschwindend geringe AsylwerberInnenquote auf: Von Jänner bis Mai 2017 hatten in Österreich lediglich zehn Menschen aus Äthiopien, fünf aus Uganda und eine/r aus Burkina Faso um Asyl angesucht, aus Mozambique gar niemand.
Statt umzufärben und zu drohen, könnte Kurz das Budget für die „öffentliche Entwicklungshilfeleistungen“ erhöhen, denn die seit den 1970er Jahren bestehende Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens dafür zu verwenden, wurde nie erreicht. 2014 dümpelte die Rate nach Angaben des Bundes bei 0,28 Prozent, 2016 lag sie nur deshalb wesentlich höher, weil die Ausgaben für die Flüchtlingsbetreuung im Inland eingerechnet wurden. Eine etwaige Aufstockung dieser Budgets für die Errichtung von Auffanglagern in den Herkunftsländern wäre dabei aber keine Alternative. Das unterstützt keine Entwicklung.

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