Liebes Österreich – So geht Politik und Demokratie

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© Wochenzeitung Avante, Portugal

Portugiesische Verhältnisse ■ EU-Wahlen funktionieren auch anders. Portugal hat 21 MandatarInnen im EU Parlament. Zur Wahl am 26. Mai 2019 treten 17 Parteien an. Das ist schon einmal ein Unterschied zu Österreich über das demokratische Verständnis im Lande. Der österreichische Präsident Alexander van der Bellen könnte sich ein Beispiel an seinem portugiesischen Amtskollegen Jorge Sampaio nehmen. Der hat 2004 mit der Begründung „Unfähigkeit“ die gesamte Regierung abgesetzt und Neuwahlen veranlasst.

Von Martin Wachter aus Lisboa

Im Gegensatz zur EU-Rechtsberichterstattungshysterie in so gut wie allen Staats-, Konzern- und Privatmedien der 28 Wahlstaaten, ein Blick auf die politischen Verhältnisse in Portugal, Spanien.

In Lousitanien, dem Armenhaus der EU an der Südwestküste Europas sind um die 10,5 Millionen Menschen stimmberechtigt. Es gibt keine Prozentklausel für ein Mandat. Jede staatlich registrierte Partei kann antreten. Einzeln, im Büdnis oder als Allianz. Beispielsweise ist die CDU eine Jahrzehnte lange Vereinigung von KommunistInnen und Ökologisch Grünen. Ihr Stimmenanteil bei der EU-Wahl 2014 war 12,7 Prozent. Das reichte für drei Abgeordnete im EU-Parlament.

Nach politischen österreichischen Vorstellungen ist die Parteienanordnung auf dem amtlichen Stimmzettel in Portugal unmöglich.

Den 1. Listenplatz ziert bei den Symbolen gleich einmal Hammer und Sichel und die Partei nennt sich PCTP/MRPP, eine „maoistische Splittergruppe (Partido Comunista dos Trabalhadores Portugueses – Movimento Reorganizativo do Partido do Proletariado – übersetzt: Partei der Kommunistischen ArbeiterInnen Portugals – Bewegung zur Reorganisation der Partei des Proletariats). Ganz schön viel Text für die erste Zeile einer Partei auf dem Stimmzettel.
Die Regierungspartei PS von Antonio Costa findet sich am 5. Stelle.
Nur eine ultra-rechte nationale Partei ist in der 6. Zeile unter dem Kürzel PNR vertreten. Diese Nationale Erneuerungspartei hat bis jetzt bei keiner der acht Wahlantritte über ein halbes Prozent erreicht.
Die stimmenstärkste Oppositionspartei, die konservativen Sozialdemokraten PPD/PSD sind auf dem 
9. Platz gelistet.
Auf 10 folgt de Linksblock Bloco de Esquerda BE. Ist auch im EU-Parlament mit einem Sitz vertreten.
An 17. und letzter Position scheint (wie in Österreich die Kommunistinnen und KommunistInnen) PCP/PEV unter der Parteienbezeichnung CDU Coligação Democrática Unitária auf.
Als Wahlhilfe gibt es in der „Avante“, Wochenzeitung der PCP einen Wahlzettel mit der Aufforderung: „Das letzte Quadrat am Stimmzettel ankreuzen, mit der Abbildung von Hammer & Sichel und Sonnenblume“ (siehe Bild).

Nebenbei sei erwähnt, dass in Portugal mindestens fünf Parteien des linken Spektrums auf dem Wahlzettel stehen. Da sind die regierenden Sozialisten nicht mitgerechnet.

Österreichs Präsident Alexander van der Bellen könnte handeln, ohne staatstragend von „Stabilität” und „Verantwortung“ zu reden

Über Jorge Sampaio, den studierten Rechtswissenschaftler an der Universität Lissabon schreibt Wikipedia:
In seiner Studentenzeit trat er im Widerstand gegen die Salazar-Diktatur auf. Er war Mitglied in mehreren oppositionellen akademischen Zirkeln und trat auf Listen der MDP/CDE (Kommunisten) zur Parlamentswahlen an.
 Als Anwalt verteidigte er während der Diktatur politische Gefangene. Vier Jahre nach der Nelkenrevolution schloss er sich 1978 der Sozialistischen Partei an und wurde 1989 Bürgermeister von Lissabon. Dieses Amt leitete er sehr erfolgreich.
Er traf, die für die Weltausstellung 1998 notwendigen Entscheidungen zur Sanierung bestimmter Stadtteile Lissabons und den Bau der neuen Tejo-Brücke, die sein Nachfolger realisierte.
1996 wurde er mit deutlicher Mehrheit als Nachfolger seines Parteifreundes Mário Soares zum Staatspräsidenten von Portugal gewählt. Dabei bekannte er, kein gläubiger Katholik zu sein, was seiner Popularität nicht schadete. Der außerordentlich populäre Sampaio redete während seiner Amtszeit als Präsident dem ebenfalls sozialistischer Parteihaberer und Regierungschef António Guterres (der ist heute UN-Generalsekretär) öffentlich ins Gewissen.
Dem Kriegskurs des konservativen Ministerpräsidenten José Manuel Barroso, (der Anfang der 1980er Jahre Chef der maoistischen PCTP/MRPP war) der zusammen mit dem US-Präsidenten George W. Bush, dem britischen Ministerpräsidenten Tony Blair und dem spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar demonstrativ ein Treffen auf den Azoren unmittelbar vor Beginn des Dritten Golfkriegs abhielt, widersetzte sich Sampaio öffentlich und verurteilte den Angriff auf den Irak als illegal.
Nachdem Sampaio Mitte 2004 infolge von José Manuel Durão Barrosos Wechsel in das Amt des EU-Kommissionspräsidenten Pedro Santana Lopes zu seinem Nachfolger ernannt hatte, ohne die in Portugal üblichen Neuwahlen vorzuziehen, setzte er Lopes bereits Ende des Jahres wegen „Unfähigkeit“ ab und verordnete Neuwahlen an, aus denen der Sozialist José Sócrates als Sieger hervorging.

Die seit 40 Jahren rockende Punkgruppe Xutos & Pontape erhielt vom Staatspräsidenten Jorge Sampaio im Jahr 2004 den Orden für Verdienste (Ordem do Mérito) – dieser wird an Personen und Institutionen verliehen, die sich auf dem öffentlichen und sozialen Sektor Verdienste um die Republik Portugal erworben haben.

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