Gewagte Mission Rhodesien

1059_uvw_sommerauer_gewagte-mission_156x234mm_2.0.inddBeschwerliche und gefährliche AbenteuerRund 40 Mitwirkende des Innsbrucker Jugendzentrums der Marianischen Kongregation (MK) waren in den Jahren zwischen 1964 und 1976 als Missionshelfer in Rhodesien (heute Zimbabwe) im Einsatz. Prägende Jugenderfahrungen im südlichen Afrika und ihre Erfahrungen und Erlebnisse bildeten die Grundlage für ein Buch.
Von Andrea Sommerauer, erschienen im UHUDLA 111/2019

„Zufällige Bemerkungen von Freunden und ein versprengter Zeitungsartikel weckten unser Interesse schon vor Jahren …

… Um genauere Recherchen in die Wege zu leiten, brauchte es aber, wie immer, seine Zeit. Umso mehr freuen wir uns, hiermit die erste systematische und einigermaßen umfassende Darstellung des Tiroler Missionshilfeeinsatzes in Rhodesien um 1970 vorlegen zu können”, schreiben Johann Gattringer und Walter Sauer von der Elfriede Pekny-Gesellschaft zur Förderung von Southern African Studies in Österreich als Danksagung im Vorwort des Buches an die UHUDLA-Redakteurin Andrea Sommerauer. Die Autorin hat mit 20 Personen Interviews geführt und daraus ist ein Buch „Gewagte Mission entstanden.

Das Einsatzgebiet der Missionare bestand damals hauptsächlich aus Busch und unbebautem Land

„Da war Leprabetreuung, da waren Impfungen, da war alles Mögliche zu tun. Und obwohl ich damals erst nur die Matura hatte, musste man dort einfach Hand anlegen. Arzt hat es keinen gegeben, oder man musste hinausfahren Gebärende holen. Da hast du eine Geburt im Landrover gehabt. Das waren alles Dinge, die waren ganz spannend.“
Seine Arbeit im Spital auf der Missionsstation von Marymount ist nur ein Aspekt, an den sich Theobald Saxer im Zusammenhang mit seinem Missionshilfeeinsatz im früheren Rhodesien erinnert. Seine Erinnerungen sind sehr präsent, seine Erfahrungen Anfang der 1970er Jahre waren für sein weiteres Leben prägend.
Er war einer jener jungen Männer, denen das katholische Innsbrucker Jugendzentrum der Marianischen Kongregation (MK) die Gelegenheit gab, in einem Land im Globalen Süden Missionshilfe zu leisten. 42 davon waren zwischen 1964 und 1976 in Rhodesien, das seit der Unabhängigkeit vom rassistischen Regime der Weißen 1980 Zimbabwe heißt. Bis vor zwei Jahren regierte dort Langzeitdiktator Robert Mugabe.
Theobald Saxer war 19 Jahre alt, als er im Sommer 1971 ins südliche Afrika aufbrach. Der damalige Jesuitenpater Sigmund Kripp, der die Marianische Kongregation leitete und 1973 auf Betreiben von Bischof Paul Rusch aus Tirol vertrieben wurde, hatte ihn und vier weitere junge Männer ausgewählt und in die entlegene Sinoia-Mission im Nordosten von Rhodesien geschickt. Dort wurden sie auf verschiedene Missionsstationen verteilt. Theobald Saxer landete in Marymount.
Die Missionsstation Marymount liegt an der Grenze zu Moçambique und ist knapp 300 Kilometer von der rhodesischen Hauptstadt Salisbury (heute Harare) entfernt. Gegründet 1949, ist sie die älteste jener zehn Missionsstationen, die mit jungen Männern aus der Innsbrucker MK beschickt wurden.
Die Gegend bestand damals hauptsächlich aus Busch, also unbebautem Land. Die Fahrt dorthin war aufgrund der weitgehend unbefestigten Straßen sehr beschwerlich und gefährlich. Das bekam auch Theobald Saxer zu spüren, als er einen Unfall mit einem Geländewagen hatte, der glimpflich ausging. Doch dieses Glück hatten nicht alle Missionshelfer.
„Marymount Mission war so eine kleine Stadt, kann man sagen, in einem Gebiet so groß wie Tirol […],“ beschreibt Theobald Saxer. Die Missionsstation lag im Tribal Trust Land (TTL) Chimanda, einem Gebiet, das von der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und Angehörigen der Volksgruppe der Mashona bewohnt war. TTLs stellten jenen Sektor in Rhodesien dar, der Schwarzen vorbehalten war und in dem sie primär Subsistenzwirtschaft betrieben.

Die Hälfte des Bodens gehörte den Weißen, die zahlenmäßig nicht einmal ein Viertel der Bevölkerung stellten

Die Landverteilung unterlag, wie vieles andere in Rhodesien, der rassistischen Politik. Die Herrschaft der weißen Rasse konzentrierte sich in urbanen und in fruchtbaren Gegenden, den Schwarzen blieben die häufig unwirtlichen TTLs, nur wenige konnten sich Land in sogenannten Native Purchase Areas kaufen. Da die politische Beteiligung an Vermögen und Besitz gebunden war, schloss sie Schwarze praktisch aus. Auch im Gesundheits- und Bildungswesen wurden Schwarze extrem benachteiligt. Deshalb bildeten die Missionen – und davon war die jesuitische Sinoia-Mission nur eine von vielen im Land – auch eine Chance für die Gesundheit und die Ausbildung von Schwarzen. Die christliche Missionierung nahmen sie selektiv an.
Bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten Schwarze politische Parteien, die aber von den herrschenden Weißen verboten wurden. Sie führten ihre Aktivitäten im Untergrund weiter und verlegten ihre Basen in die angrenzenden Länder Zambia und Moçambique. Ihre militärische Einheiten gründeten ab Mitte der 1960er Jahre Stützpunkte gerade im Nordosten Rhodesiens und rekrutierten die lokale Bevölkerung. Deshalb kamen die Missionshelfer früh mit dem Unabhängigkeitskrieg in Berührung. Politisch war das Land isoliert. Grund war die einseitige Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien, die das Regime unter der Führung von Ian Smith deklarierte. Die Vereinten Nationen verhängten daraufhin Wirtschaftssanktionen.
Marymount hatte sich in der Zwischenzeit zu einer großen Missionsstation in der Sinoia-Mission entwickelt. Sie betrieb Schulen für 200 bis 300 SchülerInnen und eine Krankenstation, die Ordensschwestern unter der Leitung von Kiliana Müller führten. Vor allem Müller sowie den späteren Bischof Dieter Scholz schätzen Theobald Saxer sehr. Scholz war 1963, also kurz vor Beginn des Missionshilfeprogramms der MK, nach Rhodesien gekommen und hatte den Rassismus auch in den eigenen Reihen erfahren, denn unabhängig von der Haltung einzelner Missionare stützte die Mission das rassistische System.

Der Rassismus und das politische Apartheids-Regime war auch in der Kirche weitgehend akzeptiert

„Als ich dann in Rhodesien ankam, […] fiel mir auf, dass die Schwarzen in der Sonntagsmesse nicht wie die Weißen vor dem Altar zur Kommunion gingen, sondern in die Sakristei sich zurückzogen, um Kommunion zu empfangen. Und da begann ich mich zu fragen, ob ich wohl hier am rechten Platz bin. […] Was dann aus weiteren Erkenntnissen oder Beobachtungen folgte, wurde immer schlimmer. Der Rassismus. Der war auch in der Kirche weitgehend akzeptiert.“
Scholz engagierte sich schließlich in der 1971 gegründeten Justice and Peace Commission. Diese stellte sich auf die Seite der unter Druck des Regimes stehenden schwarzen Zivilbevölkerung. Die Leitung der Sinoia-Mission war in ihrer Haltung zum Unabhängigkeitskrieg, der ab 1966 verstärkt zu spüren war, nicht eindeutig. Es blieb den einzelnen Missionaren auf den Stationen vorbehalten, selbst eine Position zu finden. Als 1978 entschieden wurde, die Missionare abzuziehen, tobte bereits die Gewalt. Sie hatte neben vielen schwarzen KämpferInnen, Sicherheitskräften und Zivilpersonen auch einzelnen Ordensleuten und Patres das Leben gekostet.
Eltern von Missionhelfern waren schon 1976 so alarmiert, dass sie die beiden letzten Missionshelfer in Übereinstimmung mit der MK zurückbeorderten: „Eltern wünschen Rückreise Schlorhaufer Grössl Flug gebucht Freitag 5. März Salisbury Johannesburg Frankfurt München Tickets sind bezahlt“, war in einem Telegramm an den zentralen Sitz der Jesuiten in Rhodesien, das Canisiushaus in Salisbury, zu lesen. Die beiden jungen Männer verließen innerhalb kürzester Zeit Rhodesien.
Theobald Saxer war, wie die meisten Missionshelfer aus der MK, aufgrund einer Vereinbarung zwischen Kripp und Verteidigungsminister Georg Prader über den Grundwehrdienst hinaus vom Wehrdienst befreit. Die Anerkennung eines Ersatzdienstes war bemerkenswert, denn Zivildienst konnte in Österreich erst ab 1975 geleistet werden.
Theobald Saxer wurde schließlich Arzt. Auch das verband ihn mit vielen anderen ehemaligen Missionshelfern in Rhodesien. Der Einsatz in Marymount hat ihn menschlich geprägt. Die ehemaligen Missionshelfer schlugen politisch verschiedene Wege ein – von links bis konservativ. Die meisten engagieren sich noch immer für Projekte des Globalen Südens. Theobald Saxer unterstützt ein Permakulturprojekt in Zimbabwe.

Andrea Sommerauer, ist Historikerin und Journalistin.
2008 bis 2013 arbeitete sie im „Südwind”, Regionalstelle Tirol. Themen: Biografiearbeit über Aspekte der Zeitgeschichte, den Nationalsozialismus und seine Entwicklungen und Strukturen. Erinnerungskultur, bezüglich der NS-„Euthanasie“-Opfer. Studie zu Einricht­ungen der Sozialen Arbeit für Jugendliche in Innsbruck 1970–1990. Mitarbeit am Filmprojekt „Risse“ zu den Südtiroler Siedlungen in Tirol.

Andrea Sommerauer
Gewagte Mission.
Der Missionshilfeeinsatz von
Jugendlichen aus der Marianischen Kongregation Innsbruck in Rhodesien 1964–1976,
© Universitätsverlag Wagner
ISBN: 978-3-7030-1059-0
176 Seiten, gebunden
Preis: 24,90 Euro.

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