Respekt für den Wunsch von Holocaust Opfer

Causa Europacamp ■ Neues über den Rechtsstreit im Bezug auf das Strandbad am Ufer des Attersee. Anthony Cohn, einer der Enkel der ursprünglichen Besitzer, eines jüdisch-sozialdemokratischen Geschwisterpaars, das von den Nazis enteignet und verfolgt wurden, schalten sich in die Debatte ein!

Veröffentlichung der Sozialistischen Jugend Oberösterreich.

Die Cohn sind entsetzt darüber, wie die Republik Österreich mit dem vertraglich abgesicherten Wunsch ihrer Großmutter umgeht.

Stellungnahme von Anthony Cohn, Enkel der ehemaligen Eigentümerin des Grundstücks am Attersee, Gertrude Webern, geborene Pollak

Sehr geehrte Damen und Herren!


Mein Bruder und ich sind sehr besorgt über die aktuelle Diskussion um die Zukunft des Europacamps am Attersee. Unserer Meinung nach verabsäumen es die verantwortlichen Politiker in Oberösterreich, das Erbe unserer Familie zu schützen und die Verpflichtungen aus einem gültigen Vertrag einzuhalten. Wir sind auch von der jüngsten Gerichtsentscheidung zutiefst enttäuscht und unterstützen die vorgeschlagene Berufung: Der Wunsch unserer Familie, insbesondere der unserer Großmutter, wird ignoriert. Wir hätten uns von der Landesregierung mehr Sensibilität und die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen erwartet, vor allem eingedenk der österreichischen Geschichte.
Ich bin Anthony Cohn, ein Enkel von Gertrude Webern, geborene Pollak. Ihr Bruder wurde von den Austrofaschisten inhaftiert, weil er die sozialdemokratische Partei unterstützte.

Unter der Nazi-Diktatur wurde die Familie Pollak, unsere Familie, enteignet, weil sie jüdisch war. Alle übrigen Mitglieder unserer Familie mussten fliehen. Das Europacamp befindet sich heute auf einem Grundstück, das von den Nazis beschlagnahmt wurde.

Glücklicherweise überlebten unsere Großmutter (sowie ihre Kinder, darunter unsere Mutter) und ihr Bruder den Holocaust.
Nach der Befreiung Österreichs versuchten sie, ihren Besitz zurückzuerlangen. Aufgrund eines gerichtlich angeordneten Vergleichs mussten sie jedoch eine sehr hohe Summe an jene Personen zahlen, die in der Zwischenzeit in den Besitz der Liegenschaft gelangt waren. Um dies bezahlen zu können, verkaufte unsere Familie einen Teil ihres Besitzes, darunter auch das Grundstück, auf dem sich heute das Europacamp befindet, das an das Land Oberösterreich verkauft wurde.

Im Kaufvertrag wurde klargestellt, dass das Grundstück nur dann zum vereinbarten Preis an das Bundesland verkauft wird, wenn die Sozialistische Jugend Österreichs darauf ein Jugendlager errichten dürfe. Auch der symbolische Pachtzins, der dem Vernehmen nach in letzter Zeit in Österreich viel diskutiert wurde, wurde dort festgelegt. Die Bedingungen dieses Vertrages, einschließlich der symbolischen Pacht für einen Zeitraum von 99 Jahren, waren der ausdrückliche Wunsch unserer Großmutter und unseres Großonkels. Ohne diese Bedingungen hätte das Land Oberösterreich nicht die Möglichkeit gehabt, Eigentümer des Grundstücks zu werden.

Unsere Großmutter hat zu Lebzeiten immer wieder deutlich gemacht, dass es ihr Wunsch war, dass die Sozialistische Jugend ihr ehemaliges Grundstück für ein Jugendlager mit freiem Zugang zum Attersee für die Öffentlichkeit nutzt. Dieser Wunsch wurde in einem Vertrag, den meine Großmutter, mein Großonkel und das Land freiwillig abgeschlossen haben, rechtlich festgehalten, wobei letzteres diesen jedoch nun einseitig bricht.

Dies können wir nicht stillschweigend hinnehmen, und wir möchten auf das Schärfste dagegen protestieren, weil es ungerecht ist – nicht nur im rechtlichen, sondern auch im sozialen und moralischen Sinne.

Unsere Familie wurde von den Machthabern in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs sehr schlecht behandelt. Jetzt wird der Nachlass unserer Großmutter von den örtlichen Behörden in Frage gestellt. Jener Nachlass, den zu schützen und zu respektieren, sich die örtlichen Behörden in der Vergangenheit verpflichtet haben.
Wir hoffen und erwarten inständig, dass die oberösterreichische Landesregierung ihre unklugen Absichten überdenkt und von ihren geplanten Schritten gegen das Europacamp absieht. Dieses Camp in seiner jetzigen Nutzung und mit der nominellen Pacht ist der ausdrückliche, vertraglich festgehaltene Wunsch unserer Vorfahren; mein Bruder und ich erwarten, dass dieser Wunsch auch in Zukunft respektiert wird, zumindest bis zum Auslaufen der Bestimmungen des Kaufvertrags.

Hochachtungsvoll
Anthony Cohn

Zur Erinnerung veröffentlicht die Sozialistische Jugend Oberösterreich die Historie des öffentlichen Strandbades am Attersee:

Das Europacamp steht auf einem Grundstück, das zuvor einer jüdisch sozialdemokratischen Familie, der Familie Pollak, gehörte. Diese wurde 1938 von den Nazis enteignet. Nach dem Krieg mussten die Geschwister Pollak hohe Ablösen zahlen, um ihre Grundstücke zurückzubekommen.

Um das zu finanzieren, verkauften sie Teile ihrer Grundstücke an das Land Oberösterreich mit der Bedingung, dass die SJ dieses Grundstück für 99 Jahre (Noch 20 Jahre) im Sinne der Jugendwohlfahrt nutzen darf. Dieser Wunsch der Holocaust-Überlebenden wird nun in Frage gestellt.

Alle eint der Wille, dass der deklarierte und vertraglich festgeschriebene Wunsch von Holocaust-Überlebenden eingehalten wird. Dieser besagt, dass die Grundstücke am Attersee im Sinne der gemeinnützigen Jugendarbeit verwendet werden.

Dieses Erbe versucht die SJ OÖ im Europacamp aufrechtzuerhalten. Mit einem Jugendcamp, das nicht profitorientiert betrieben wird. Mit einem Seebad, bei dem kein Eintritt verlangt wird und das daher einer der letzten verbliebenen freien Seezugänge am Attersee ist. Oder mit der Bereitstellung von kostenloser Infrastruktur rund um das Bad, wie etwa Parkplätze oder Sanitäranlagen

Der Wunsch von Holocaust-Überlebenden muss respektiert werden. Das Europacamp muss bleiben!

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