OchtaSechzger – und trau keinem über 30

G Mario Lang. Lohmeyer Walter

Walter Lohmeyer ■ Das Epizentrum gesellschaftlicher Veränderungen. Sie protestierten gegen starre Strukturen, den Vietnamkrieg, die rigide Sexualmoral und die Nichtaufarbeitung des Nationalsozialismus:

Tausende StudentInnen, weltweit, gingen in den 1960er Jahren auf die Straße – und unter der Chiffre „68“ in die Geschichtsbücher ein.

Was war so Besonderes, so Geschichtsträchtiges, dass so viele dieser Zeit nachtrauern und sie verherrlichen

In den späten 1950er Jahren trat erstmals in den USA eine Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner in Erscheinung, die für eine Gleichberechtigung, einer Gleichstellung aller Menschen, egal welcher Hautfarbe, welcher Herkunft, protestierte. Die Kundgebungen wurden zwar von Polizei und Nationalgarde niedergeschlagen, flammten aber immer wieder auf. Ihr legendärer Anführer Martin Luther King Jr. (1929-1968 „I have a dream“) forderte  seine Mitstreiter zum gewaltlosen Engagement zur Umsetzung der Menschenrechte, zur sozialen Gleichstellung aller, auf. Dann folgte der Vietnamkrieg. Und die Proteste, die Auflehnung gegen diesen sinnlosen, von der amerikanischen Regierung angezettelte Krieg, waren der eigentliche Beginn von Studentenunruhen, die schnell nach Europa, in die ganze Welt gingen.

2. Juni 1967; West-Berlin: Demonstration gegen den persischen Schah  Mohammad Reza Pahlavi. Polizisten kesseln die Demonstranten ein, verprügeln sie, greifen Einzelne wahllos heraus, misshandeln sie und behaupten einen Polizistenmord. Der Polizist Karl-Heinz Kurras erschießt den Demonstranten Benno Ohnesorg. Die (damalige) BRD steht Kopf, Studentenunruhen im gesamten Bundesgebiet.

März 1968; Warschau, Polen: unter dem damaligen Staatschef Władysław Gomułka verbieten die Behörden alle weiteren Aufführungen des Nationaldramas „Ahnenfeier“ von Adam Mickiewicz. Der Schriftstellerverband kritisiert die Kulturpolitik der Gomułka-Regierung öffentlich. Im März gehen zig Tausende StudentInnen, auf die Straße  und liefern der Polizei ein Katz und Maus Spiel. Am 24. März 1968 protestiert die katholische Kirche Polens gegen diese staatliche Zäsur; damit beginnt erstmals eine Annäherung zwischen Klerus und polnischer Intelligenz.

11. April 1968: Der junge rechtsradikale  Hilfsarbeiter Josef Bachmann schießt dreimal mit dem Ruf „Du dreckiges Kommunistenschwein!“ vor dem SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund)-Büro am Kurfürstendamm (Westberlin) auf den Studenten Rudi Dutschke. Dutschke überlebt schwerstverletzt. (Stirbt aber 1979 an den Folgen dieses  Attentats – Anm.d.Red). Die deutsche Seele kocht.

Am 13. Mai 1968 gehen in Paris: Hunderttausende auf die Straße, zehn Millionen Menschen streiken. Drei Wochen lang werden Fabriken besetzt. Die Arbeiterklasse übernimmt die Formen des Protests, der politischen Forderungen der Studenten. Sie kämpfen für gerechtere Löhne, die Abschaffung der Hierarchien in den Betrieben. – Mit Erfolg.

Aus heutiger Sicht war 1968 nicht nur eine Zeit der Revolten, der Demonstrationen und Unruhen

– vielmehr das Epizentrum gesellschaftlicher Veränderungen. Man beginnt das Aufarbeiten der Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg; man wehrt sich gegen das „Mundtot machen“ der Studierenden, der jungen Menschen, („Wir sind jung, aber nicht dumm“ und  „Trau keinem über 30“); Frauenbewegungen entstanden („Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“);  in Kunst und Kultur entfernt man sich von starren Normen: die Hippiebewegung, das legendäre „Woodstock-Festival“ sind hör- und sehbare Zeichen einer Befreiung und eines Ausbrucs aus einem verkrusteten System.

John Lennon, „Make Love Not War“ und „Give Peace a Chance“. Filme wie „Das große Fressen“ (Persiflage auf die Dekadenz der Reichen) oder der Kultfilm dieser Zeit „Easy Rider“ Dennis Hopper Peter Fonda begeistern das Publikum. Ein allgemeines  „Sich-Wegdrehen vom American Way of Life“ macht sich breit. Die römisch-katholische Kirche verliert immer mehr an Terrain als oberste moralische Instanz der Menschen. Auch die Mode wird von dieser Epoche nachhaltig geprägt:  Erlaubt ist was gefällt.“ Die ersten Grünbewegungen melden sich lautstark zu den Verbrechen, der Herrschenden an der Umwelt zu Wort und Tat.

Die Menschen werden kritischer, resoluter in ihrer Beurteilung und der Akzeptanz von Gesetzen und Verordnungen.

54 Jahre danach har uns das Computer Zeitalter fest im Griff. Viele mutieren zu Robotern, digital gesteuerten Befehlsempfängern, haben keine Ideale, keine Ziele, keine Persönlichkeit. Es liegt aber sehr wohl an uns, wie wir unser Leben ge­­stalten, wie wir agieren und handeln.

„Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren“.

Walter Lohmeyer ein 1956er Jahrgang  ist Journalist und (Dreh-)Buchautor. Seit Jahrzehnten ist er für den Verkauf des UHUDLA erfolgreich und verantwortlich.

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