Dieser Krieg ist nicht unser Krieg

© Konrad Adenauer Stiftung. Russisches Volk und ihr Anführer sind „Kommunisten”, „Faschisten” und „Marxisten” gleichzeitig. 1953 war nur der Weg nach Moskau das Schreckgespenst. Wahlplakat der CDU.

Kulturschaffende für den Krieg ■ Der Kampf um die Meinungshoheit an der Kultur-Front. Menschenhass und intellektueller Flankenschutz zum Morden auf dem Schlachtfeld.

Eine Trilogie von Hannes Hofbauer. Teil II:

Neben den Kriegstreibern aus Politik und Medien, die jeden Plan zur Krisenlösung ad acta gelegt haben und sich stattdessen nur mehr mit Waffenlieferungen an die Ukraine und militärischer Ausbildung ukrainischer Jungmänner beschäftigen, geben Stimmen aus Kultur und Kunst einen intellektuellen Flankenschutz zum Morden auf dem Schlachtfeld.

Das postmoderne grün-liberale Milieu tut sich besonders hervor und will die eigene friedenspolitische Vergangenheit vergessen machen

Die fehlende Erfahrung einer militärischen Ausbildung – in der grünen Bundestagsfraktion in Deutschland gibt es niemanden, der den Wehrdienst geleistet hat – macht es scheinbar leichter, andere in den Krieg zu schicken. Den anti-nationalen Impetus, dem sich Sozialliberale wie Grüne grundsätzlich verschrieben haben, legen sie vor der blau-gelben ukrainischen Fahne nieder, wobei es die wenigsten stört, dass meist noch irgendwelche von der Nazis verwendete Runen mit im Flaggenhain verwoben sind. Das war auch schon, nebenbei bemerkt, in den 1990er Jahren so, als allen voran die Grünen sich für die sogenannte „nationale Selbstbestimmung“ Kroatiens unter dem Schachbrett-Wappen einsetzten, das zuletzt in den 1940er Jahren von den Ustaschi verwendet worden war.

Opernhäuser und Konzertsäle, Sportstadien und Spielstätten werden seit Ende Februar 2022 von allem Russischen gesäubert. Zur Lobpreisung des Ukrainisch-Nationalen gesellt sich der Russenhass. Als Betreiber dieses historisch tief verwurzelten Feindbildes agieren Kultur- und Sportmanager aller deutschen Couleurs. Der Vorgang ist so einfach wie brutal: jeder Russe – und freilich auch jede Russin – muss ungefragt den Präsidenten seines bzw. ihres Landes als Kriegsverbrecher benennen, damit russische Gesetze brechen und dem Vaterland abschwören, widrigenfalls er oder sie auf deutschen Bühnen und Sportstätten nichts zu suchen hat. Zuletzt war auch der Kotau vor dem NATO-Narrativ gar nicht mehr möglich, Russe sein genügte, um ausgeladen und abgeschoben zu werden. Nicht einmal im Fall von toten Russen wie beispielsweise dem Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowsky ließ sich so mancher Konzertdirektor erweichen. Russe ist Russe. Russe ist böse. Oder: wie es 1914 in freudiger Zustimmung zum Krieg populär war: Jeder Schuss ein Russ.

Apropos 1914: Namhafte führende Intellektuelle und Künstler befeuerten damals – wie auch heute – das Kriegsgeschehen.

Anton Wildgans, Thomas Mann, Georg Trakl, Ernst Jünger, Max Scheler, Hermann Bahr, Georg Simmel, Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Robert Musil, Oskar Kokoschka und viele mehr begeisterten sich für den deutschen Waffengang. So beschrieb der 36-jährige Thomas Mann den Krieg im Jahre 1915 als „eine Reinigung, Befreiung (…) und eine ungeheure Hoffnung“ und untermauerte diese Hoffnung auch mit geopolitischen Argumenten: „Angenommen und versuchsweise eingeräumt, daß die unmittelbare Initiative zu diesem Kriege bei Deutschland gewesen wäre – war denn der Zustand Europas vor dem Kriege so köstlich, war er liebevoller Enthaltung so wert, daß es abscheulich genannt werden dürfte, seinen Umsturz in die Wege geleitet zu haben?“ Und weiter im O-Ton von Thomas Mann: „Das Gleichgewicht Europas … war die Ohnmacht Europas, war seine Blamage gewesen.“

Noch stärkerer Tobak gefällig? Robert Musil in der Neuen Rundschau 1914 unter dem Titel „Europäertum, Krieg, Deutschland“: „Treue, Mut, Unterordnung, Pflichterfüllung, Schlichtheit – Tugenden dieses Umkreises sind es, die uns heute stark, weil auf den ersten Anruf bereit machen zu kämpfen.“

Nun also wieder. Vom ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck aufwärts über Schriftsteller vom Schlage Martin Pollacks bis zur Außenministerin Annalena Baerbock sprühen deutsche Meinungsmacher vor Kriegseuphorie und Russenhass. Gauck will die Strangulierung der russischen Wirtschaft mittels immer mehr und immer schmerzhafteren Wirtschaftssanktionen antreiben, koste es, was es wolle. Sein Spruch „Frieren für die Freiheit“ wird dereinst für Historiker als erster staatsmännischer Kriegsaufruf interpretiert werden. Der Autor Martin Pollack, u.a. Preisträger des Leipziger Buchpreises für europäische Verständigung, hetzt schon seit Jahren gegen den Kreml und war auch mit bei den ersten, die den Angriff Russlands auf die Ukraine dazu nützen wollen, um den Westen in den Krieg hineinzuziehen. „Wir sind es, die angegriffen werden“ meinte er bereits drei Tage nach dem russischen Einmarsch, und „wir müssen uns verteidigen.“ Die zuständige Ministerin versteht mittlerweile unter Außenpolitik, Russland zu ruinieren, was bis Redaktionsschluss dieses Textes mit Sanktionen gegen Moskau und Waffenlieferungen für Kiew bewerkstelligt wurde. Und wenn dies nicht den gewünschten Erfolg bringt?

Figuren aus der Kultur- und der Politikszene wie die hier erwähnten stehen bereit, das Arsenal gegen Russland zu erweitern

Und dann? An die Zukunft nach dem Waffengang gegen Russland haben auch vor 110 Jahren weder Wilhelm II. noch Thomas Mann gedacht. Olaf Scholz, AL. Baerbock, J. Gauck und Konsorten stehen in dieser fahrlässigen Tradition.

Hannes Hofbauer:
Feindbild Russland.
Geschichte einer Dämonisierung.
© Promedia 2016
ISBN: 978-3-85371-401-0.
304 Seiten Preis: 19,90 Euro
E-Book: 15,99 Euro
ISBN: 978-3-85371-833-9.

Der Autor Hannes Hofbauer studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte und arbeitet als Publizist und Verleger. Im Promedia Verlag sind von ihm zum Thema erschienen: „EU-Osterweiterung. Historische Basis – ökonomische Triebkräfte – soziale Folgen“ (2008) und „Die Diktatur des Kapitals. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter“ (2014).

Teil I: Historischer Rückblick
Teil III: Die Linke? Gegen den Krieg

Diese Analyse von Hannes Hofbauer ist auch bei rubikon.news erschienen.

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