Ketzergerichte der hl. Inquisition

© Bilawer – Bildcollage

Religion und Fanatismus  31. März 1821 offizielle Beendigung der Inquisition in Portugal. 

Portugiesische Historie von Henrietta Bilawer

Ein Parlaments-Beschluss hat im Jahr 2020 den 31. März Tag zum nationalen Gedenktag für die Opfer der mittelalterlichen Ketzergerichte erhoben: Rund 285 Jahre lang hatten die Inquisitoren Leben und Gesellschaft in Portugal mit fanatischem Religions-Wahn, Angst, Verschwörungsmythen und gezielt geschürten Vorurteilen bestimmt.

Kurz nach seiner Wahl hatte Papst Paul III. am 23. Mai 1536 die Einrichtung der Inquisition verfügt. Genauer gesagt: Er hat sie erlaubt, denn dieser Akt war keineswegs eine von Rom diktierte Maßnahme. Schon seit dem Jahr 1515 hatte Portugals König D. Manuel I. mehrfach um die klerikale Einrichtung für sein Land ersucht. In einem früheren Antrag auf einen Inquisitions-Gedenktag wurde daher der 23. Mai vorgeschlagen.

Der König Portugals versprach sich mächtige Vorteile im machtpolitischen Gefüge

Aus diesem Grund hat D. Manuel I. sein Land Portugal unter die Kirchen-Gerichtsbarkeit gestellt. Die Entscheidung des portugiesischen Parlaments für den Gedenktag war nicht unumstritten. Daher sahen sich die Abgeordneten zu der Beteuerung verpflichtet, der Gedenktag solle auf keinen Fall “alte Wunden öffnen oder Feindseligkeit gegen irgendeine Institution, säkular oder religiös, schüren.” Die historische Realität der Inquisition und ihre Präsenz in Portugal gehöre mittlerweile zu den Themen, deren Erforschung weit fortgeschritten sei, auch dank international zugänglicher Primär-Quellen, seit der klerikale Einfluss im Land durch die Nelkenrevolution zurückgedrängt wurde, hieß es in der Parlaments-Debatte.

Die Hervorhebung des 31. März als Tag des Gedenkens an die Opfer der Inquisition sei “in eine klare, versöhnliche Atmosphäre eingebettet, in der Staat und Kirche Schritte zur Anerkennung der Fehler der Vergangenheit unternommen und ihre Wiedergutmachung begonnen haben, indem sie das Gedenken an die Opfer wertschätzen und die Wiederholung vergangener Verbrechen (aus religiösem, politischem und jedem anderen Fanatismus) verhindern.”

Das gewählte Datum für den Gedenktag am 31. März ist nun der Tag, an dem die aus der liberalen Revolution von 1820 hervorgegangenen verfassungsgebenden Gerichte im Jahr 1821 die Inquisition für beendet erklärten.

Das entsprechende Dokument wurde am 31. März 1821 beschlossen und am 5. April 1821 veröffentlicht. Es legte das Erlöschen des so genannten “Tribunals des Heiligen Offiziums, die Aufhebung aller seiner Gesetze und Anordnungen, die Einstellung der anhängigen Prozesse und die Übergabe der Verwaltung seines Vermögens und seiner Unterlagen an die Jurisdiktion der Bischöfe” fest. „Die Existenz des Inquisitions-Gerichts ist unvereinbar mit den Grundsätzen, die in der Verfassung aufgenommen wurden“, hieß es in dem damals verabschiedeten Diplom.

Dies war ein einschneidender Akt für die gesellschaftliche Wirklichkeit, denn der Inquisitionsrat, der in Portugal ‘Conselho geral’ hieß, hatte bis dahin zumindest formal das öffentliche Leben und die gesellschaftliche Ordnung im portugiesischen Mutterland ebenso bestimmt wie in den Kolonien. Im Portugal gab es drei Inquisitions-Tribunale: in Coimbra, in Lissabon und in Évora; ab 1560 wurde in Goa ein für Asien zuständiges Tribunal etabliert.

Die Inquisition in Portugal konzentrierte sich vordergründig auf jüdische Konvertiten

Die Juden wurden u.a. als Schuldige an einem als Gottesstrafe verstandenen schweren Erdbeben des Jahres 1531 verunglimpft), in Übersee vor allem auf nicht christliche Seeleute. In der größten portugiesischen Kolonie, in Brasilien, wurde kein Inquisitions-Gericht eröffnet. Dort waren die Bischöfe für die Wahrung des Glaubens verantwortlich.

Die Inquisition herrschte machtvoll; ihren Höhepunkt fand sie gleich zu Beginn im 16. Jahrhundert. Der letzte öffentliche Schauprozess vor einem Ketzergericht fand 1761 in Lissabon statt. Angeklagt war der italienisch-stämmige Jesuitenpater und Missionar Gabriel Malagrida, der im Zusammenhang mit einer angeblichen Verschwörung gegen das portugiesische Königshaus angeklagt worden war. Die Inquisitoren konnten ihm aber die Teilnahme daran nicht beweisen. Also suchten sie andere Klagepunkte, sodass Malagrida schließlich wegen Ketzerei verurteilt wurde. Zu den Opfern der Inquisition in Portugal gehörte auch der Humanist Damião de Góis, ein Weggefährte Martin Luthers, der zwar nach einem 18 Monate dauernden Prozess und seiner Verurteilung schließlich entlassen wurde, aber kurz darauf unter ungeklärten Umständen zu Tode kam.

Die historische Forschung weist auf Zehntausende von Angeklagten und Verurteilten der Inquisitions-Gerichte hin. Und laut den vorhandenen Aufzeichnungen wurden von Beginn der Inquisition bis zum Jahr 1761 nahezu 1.200 Menschen öffentlich lebendig verbrannt. Auch bereits Verstorbene wurden Opfer der Inquisition, wenn ihr Wirken zu Lebzeiten noch über den Tod die Inqusitoren erzürnte. Dann beschlagnahmten die kirchlichen Richter Darstellungen wie Gemälde oder Plastiken solcher Personen und zerstörten sie öffentlich – 633 Fälle konnten bis heute erforscht werden. Weitere 30.000 Menschen wurden inhaftiert und gefoltert. Die historische Forschung räumt ein, dass die Dunkelziffer beträchtlich darüber liegt.

480 Jahre nach der Einführung der Inquisition in Portugal befestigte die Stadt Évora im Jahr 2016 auf der Praça do Giraldo eine Gedenkplatte zu Ehren der “Opfer der portugiesischen Inquisition und jeder Art von Intoleranz”. Die Platte befindet sich an der Stelle, an der die päpstliche Bulle zur Einführung der Inquisition in Portugal zum ersten Mal verlesen und die Glaubensurteile verkündet worden waren. Am 22. Oktober 1536 fand dort die erste öffentliche Verbrennung von Menschen statt, die der Ketzerei beschuldigt worden waren.

Die Bürgerinitiative, die den Gedenktag seit Jahren gefordert hat, sieht die Anerkennung des Datums als Teilerfolg. „Portugal insgesamt muss einen konkreten Schritt tun, um sich dem Schaden zu stellen, den die Inquisition für die Portugiesen und diejenigen, die in den ehemaligen Kolonien unter portugiesischer Herrschaft lebten, über 285 Jahre verursachte“, so eine Stellungnahme des Historikers Jorge Martins im Namen der Initiative. Deshalb solle auf dem Rossio in Lissabon, vor dem Nationaltheater D. Maria II, ein Denkmal für die Opfer der Inquisition errichten werden – an dieser Stelle befand sich der Richtplatz und das Gebäude des Inquisitions-Gerichts. Das Erdbeben von 1755 hat die damalige Anordnung von Straßen und Gebäuden zerstört.

Henrietta Bilawer, geboren 1961 in Köln BRD. Die Autorin und Journalistin lebt seit 1994 in Portugal.

Henriettas Bilder-Collage  zeigt die Gedenkplatte auf der Praça do Giraldo in Évora. Die beiden anderen Abbildungen beinhalten die päpstliche Bulle “Cum ad nihil magis”, die Papst Paul III. an die Bischöfe von Coimbra, Lamego und Ceuta richtete. Auf der Grundlage dieses kirchlichen Erlasses wurden die Kommissare der Inquisition in Portugal ernannt. Das andere Dokument ist das Evangelien-Buch, das als Richtlinie für die Inquisitoren angefertigt wurde.
Beide Dokumente befinden sich im portugiesischen Nationalarchiv ‘Torre do Tombo’ in Lissabon.

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