ÖGB in der Schreckstarre

OEGB_Lohnkampf
Das waren noch Zeiten, als der ÖGB für gerechten Lohn und Arbeitszeitverkürzung vor der Wiener Wirtschaftskammer Zentrale demonstrieren ließ. © Foto Martin Wachter

Rudolf Hundstorfers Politischer Gedächtnisverlust ■ Die Produktion von Arbeitslosigkeit erreicht in der zweiten Jahreshälfte 2009 einen neuen Höhepunkt. ÖGB und Sozialministerium beschränken sich darauf, die Rahmenbedingungen bei Kurzarbeit für Unternehmen zu verbessern. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen fällt aktuellen und ehemaligen Spitzengewerkschaftern nichts ein.

Erschienen in der UHUDLA Ausgabe 91/2009


Wird der Wechsel von führenden Gewerkschaftsfunktionären an die Spitze des Sozial- und Arbeitsministeriums, wie ihn vor kurzem der ehemalige ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer vollzogen hat, mit Gedächtnisverlust bestraft? – Anders ist es kaum zu erklären, dass ihm zur Bekämpfung der Folgen der Wirtschaftskrise auf dem Arbeitsmarkt nahezu nichts einfällt. Außer der Verlängerung der Kurzarbeitszeit und der Kürzung der Behaltefrist nach ihrem Auslaufen war bisher wenig bis nichts zu hören.

Eine wenig überzeugende Lösung

Offenkundig zieht der ökonomische Einbruch als Folge der Finanzmarktkrise eine massive Einschränkung der von den Unternehmen nachgefragten Arbeitszeit nach sich. Auf diese Lage gibt es verschiedene denkmögliche Reaktionsweisen:
* Kündigung aller überflüssigen Ar­beitskräfte in den Betrieben, die von der Krise unmittelbar betroffen sind.
* Kombination von Kündigungen von MitarbeiterInnen in einzelnen Abteilungen und Kurzarbeit im Kernbereich der Produktion
* Kurzarbeit im gesamten Unternehmen, das von der Krise betroffen ist, um die qualifizierten Arbeitskräfte im Betrieb zu halten.
Eine überzeugende Lösung kommt beim Einsatz dieser Instrumente nicht zu Stande. Wunde Punkte sind die vergleichsweise hohen Kosten für Unternehmen und Arbeitsmarktverwaltung ebenso wie die Einschränkung der Kaufkraft der Beschäftigten durch die damit verbundene Lohn- bzw. Einkommenssenkung.
In dieser Situation sind Menschen mit Langzeitgedächtnis gefragt. Sie erinnern sich, dass Ende der 80-er und Anfang der 90-er Jahre eine gar nicht schwache Bewegung für die weitere Verkürzung der Arbeitszeit zunächst auf 35 Stunden pro Woche in Gang gekommen ist. Diese Orientierung wurde sogar ins Programm des ÖGB aufgenommen. Anfangserfolge waren die Reduzierung der Wochenarbeitszeit in einzelnen Branchen und Branchensegmenten auf 38 1/2, 38 und sogar 36 Stunden pro Woche. Sie sind allerdings im Zuge der Offensive des Neoliberalimsus in Vergessenheit geraten.

30 Stundenwoche mit Lohnausgleich

Was damals – noch am Beginn der Computerisierung aller Arbeitsbereiche – als Gegenpool zur rasanten Rationalisierung der lebendigen Arbeit unerlässlich erschien, ist angesichts der aktuellen krisenbedingten Reduzierung des gesellschaftlich notwendigen Arbeitsvolumens umso aktueller. Mit dem Unterschied, dass heute bereits die 30 Stundenwoche als Normalarbeitszeit angepeilt werden müsste.
Eine derartige Arbeitszeitverkürzung für alle unselbständig Erwerbstätigen könnte das Gespenst der Arbeitslosigkeit mit einem Schlag bannen. Gleichzeitig würde der Spielraum der Unternehmen für das Angebot von prekären Beschäftigungsverhältnissen (Teilzeit, Werkvertrag, Ich-AG usw.) stark eingeengt. Darüber hinaus wäre der gesamten Wirtschaft durch die massive Ankurbelung der Massenkaufkraft besser als durch jedes Krisenpaket geholfen.
Eine derarige Arbeitszeitverkürzung setzt vollen Lohnausgleich voraus. Sage niemand, das könne die Wirtschaft (sprich: die Unternehmer) sich nicht leisten! – 20 Jahre sinkende Lohnquote, in Spekulationen am Finanzmarkt gesteckte Supergewinne (als Ursache der herrschenden Überakkumulationskrise) und Banken- wie Industriepakete zeigen, dass es nicht am Geld, sondern am guten Willen mangelt.

Lutz Holzinger

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