Ein Leben für den Blues

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„Westend Blues” – Musik & Lesung mit dem legendären UHUDLA-Autor Walter Eckhart (r) mit Blues-Legend Al Cook (. Fotos: © Ludwig Schädl

Al Cook und „sein” Mississippi Delta mitten im Dritten ■ Mehr als ein halbes Jahrhundert ist er in Sachen Blues unterwegs. Auf den Baumwollfeldern war er noch nie, auch noch nicht in den Plantagen der Südstaatler. Der Blues-Veteran Alois Kurt Koch der Dritte, besser bekannt als Al Cook, bezeichnet sich als Leidenschaftsmusiker.

Von Karl Weidinger, erschienen UHUDLA Ausgabe 109 / 2018

Der Blues-Veteran Alois Kurt Koch der Dritte, besser bekannt als Al Cook, bezeichnet sich als Leidenschaftsmusiker. 1964 gab er sein erstes Konzert in Wien. 2006 erhielt er ebenda das Goldene Verdienstzeichen. Orden wie Ehrenzeichen (von Bad Ischl), Verdienstkreuze (von Wien) und Rathausmänner (in der Einzahl) sind seine Sache nicht.

Die wahre Ehrung für seine authentische Spielart kann nur vom Publikum kommen.

Der Blues ist humorvoll, ironisch, sarkastisch und sogar erotisch

Seit den 1970er-Jahren ist er Teil der Szene, ohne wirklich dazu zu gehören. „Ja, der Blues ist eben keine selbstmitleidige Suderei. Das ist eben der große Irrtum, dem der Großteil der Hörer unterliegt. Der Blues ist, so wie ich in meiner Biografie statuiert habe, eine unsentimentale Klage, die sich oft in der dominanten 5. Harmoniestufe in eine Conclusio auflöst. Viele Blues sind humorvoll, ironisch, sarkastisch und sogar erotisch bis zum unverhohlenen Porno, also keineswegs eine raunzige Lamentiererei“, stellt er klar.
Nach zehnjähriger Arbeit hat er seine Biographie „Kein Platz für Johnny B. Goode“ mit 770 Seiten veröffentlicht, die ihn neben seiner Tätigkeit als Vertreter authentischer Blues-Kultur auch als den unbeugsamen Zeitgeistverweigerer porträtiert. Dazu braucht es Durchhaltevermögen.

Der Dialektausdruck „Kondi“ hat zwei Bedeutungen: Er steht für die Verkürzung der traditionellen Konditorei, bedeutet aber auch „Kondition“ im Sinne einer ausdauernden körperlichen Verfassung. Das Treffen findet in der Konditorei Neunteufl in der Ungargasse statt. Sein Musikraum ist nur ein paar Takte entfernt und sicher kein Hobbykeller.
In Al Cook’s Blues-Kitchen im Souterrain kocht der Meister seit 2002, früher war das die Waschküche des Wohnhauses. Die Akkorde werden aufgekocht, die Takte (haben sich) gewaschen. Über eine gute Kondition muss der Musiker auch verfügen.
Seit 53 Jahren bespielt er die Szene in größeren Clubs und kleineren Lokalen. Ende Februar 2018 feiert der Unverwüstliche heuer seinen 73. Geburtstag.

Als Komponist und Interpret hauchte er dem Blues auch hierzulande eine Seele ein, trotz heftigster Widerstände. Mit 15 Jahren begann er 1960 Gitarre, Klavier und Gesang zu üben. Zuerst belächelt, dann für seinen Durchhaltewillen bewundert und zu guter Letzt gefeiert und ausgezeichnet. Aber keiner hatte den Blues wie er: Al Cook.

Singe in Konzerten nie um des Beifalls willen das falsche Lied

Seine Musik war ursprünglich eine Angelegenheit von schwarzen Baumwollpflückern. In den 1960er-Jahren wandten sich die Schwarzen dem Soul & Funk zu, Motown kam auf. Der Blues überlebte, weil er von den Weißen adoptiert wurde?
Wichtig ist: „Singe nie um des Beifalls willen das falsche Lied.“ Zu seinen Blues-Vorträgen braucht er nur ein Mikrofon, eine Gitarre – und einen Sessel. Al Cook spielte anfangs nur sitzend und steckte das Mikrofon in das Schallloch der Gitarre.
Der Folkclub Atlantis war die Wiege der Austropop-Szene. „Es war der Advent des Hardrock und der drogengeschwängerten Psychedelic-Ära“, schreibt Cook auf Seite 165 seines autobiografischen Wälzers. Und weiter: „Der Blues war die erste eigenständige Kultur, die Amerika je hervorbrachte.“

Sieben Gitarren nennt er inzwischen sein Eigen, davon bespielt er vier regelmäßig und nimmt sie mit, wohin der Wind ihn weht. Immer elegant und stilecht gekleidet. Das Haupthaar frisch gekämmt und brav gescheitelt. Er stammt aus einer Zeit, in der man stets einen Kamm (wie heute das Handy) mitführte. Sein Erweckungserlebnis hatte er im alten Beatrix-Kino 1960. Der 15jährige besucht den Film „Gold aus heißer Kehle“ und wird blitzradikalisiert zum glühenden Elvis-Fan. Zur titelgebenden Figur seiner Biografie, „Johnny B. Goode“, ist’s noch weit.
„Ich war 28 und kochte vor Weibstollheit über, denn meine Sexomanie quälte mich wieder bis zum Wahnsinn, doch weit und breit gab’s für mich nichts zu holen“ (S. 239) Groupies auch wichtig? Al Cook, der „Alabama-Ferdl“, Al das Alien, der „Eiserne Gustav“, der Ayatollah in Sachen Blues.

Bezeichnend auch der von Erik Trauner verliehene Titel „Al Cook, der Karl May des Blues“, der sich in seiner Waschküche musikalische Abenteuer mit den Delta- Musikern längst vergangener Zeiten herbeifantasiert. Aber dieser Vergleich mit dem „Old Slidehand“ ist ungerecht. Jeder darf Musik machen, wie ihm zumute ist. So blieb der Kampf gegen „Bluesfaschisten und Konterrassisten“, die ihm den schwarzen Blues verbieten wollten, seine Lebensaufgabe als „White King of Black Blues“.
Mitstreiter war der spätere Extremschrammler Roland Neuwirth, der für „Cooksie“ noch den Bass zupfte. Die Sitten- und Tugendwächter wollten den weißen Burschen den Blues verweigern. Nur die echten Südstaaten-Bewohner dünklerer Hautfarbe sollten sich am geheiligten Blues abarbeiten dürfen.
Der Meister kann auch heftig werden, wenn ihm Unverständnis entgegen strömt: „Himmelkruzifix, zum Donnerwetter nochmal! Begreift ihr Vollkoffer denn nicht, dass ich Al Cook der Bluesman, der den Geist der Mississippi-Legenden in sich wohnen hat und nicht einfach so tun kann, als sei er jemand anders.“ (S. 305)

Alabama auf den 25 Quadratmetern einer ehemaligen Waschküche

Ein Leben für den Blues, nicht nur zwischen Konditorei und Waschküche. Aus Seite 712 wird die Konditorei Neunteufel, sein Barrelhouse und Honky-Tonk in einem, auch gewürdigt. Papas Tapas, Metropol und Reigen, Folkclub Atlantis, Johnathan Seagull und das Rockabilly-Revival waren da auch noch Stationen. Ein Koberer am Schwarzenbergplatz konfiszierte den vollen Sektkübel mit den Musikerspenden, mit etlichen 50ern und 100ern drinnen. Das brachte das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen. Dort trat er nie mehr auf.

Kein Wunder: „Ich lebte unter ständiger Angst, eines Tages meinen Status zu verlieren und mir meinen, wenn auch bescheidenen Lebensstil nicht mehr leisten zu können.“ Seine Fabrikarbeiterjahre hat er gehasst, an den „Prolos“ lässt er seither kein gutes Haar – nur sein Publikum konnte ihn versöhnen.

Seither ist viel Wasser den Mississippi runtergeflossen. Etwa 300 Soundeffekte hat er inzwischen auf seiner digitalen Aufnahmemaschine drauf (die original Delta-Bluesler hatten nicht mal Verstärker: weil kein Strom, kein Geld, nix zu schleppen). Bis auf fünf bleiben die restlichen 295 Effekte uneingesetzt. Wer sich dem authentischen Blues verschrieben hat, kann aber auch auf Hilfsmittel der heutigen Technik zurückgreifen.
Wie auch immer! Stilprägend ist und war die gute alte Dobro Resonator-Gitarre. Jene weinerliche silberne Blechgitarre, die besonders metallern schrummelt. Der „Cooksie“ nennt das ein Slide-Gewitter, wenn er mit dem „Bottleneck“ (früher ein abgebrochener Flaschenhals) noch immer wie am ersten Tag loslegt. Die einen sind ergriffen vor Rührung, die anderen ergreifen die Flucht. Sollen sie nur, sie werden noch lange unterwegs sein, um jene Bestimmtheit zu finden, die der „Cooksie“ schon lange hat.
2014 feierte Al Cook im Metropol sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. 15 Tonträger hat er bisher veröffentlicht, der 16. steht vor der Tür. Anlass für den Blues – im übertragenen Sinne – gäbe es auch: Herzinfarkt mit 57 als Nichtraucher und Nichttrinker, Verlust der Liebes- und Lebenspartnerin mit 63 undsoweiter undsofort, bis zur finalen Coda, dem letzten Schlussakkord.

Sinnspruch, Lebensmotto und abschließendes Resümee: „Mein Wille geschehe. Wenn auch nicht im Himmel, dann wenigstens auf diesem Fleckchen Erde!“ Gemeint ist das Basislager im Souterrain seines Wohnhauses, unweit der Konditorei, wo die Musik Al Cooks sich um das harte Los der Baumwollpflücker dreht. „Alabama auf den 25 Quadratmetern einer ehemaligen Waschküche im Herzen Wiens, das mache mir einmal einer nach…“ (S. 661) – So schnell wird sich keiner finden.

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