Jasmin Thoma Romane ■ Zwei Romane über brisante Themen des Alltags. Die 1995 geborene burgenländische Autorin hat sich mit elf Jahren Kurzgeschichten ausgedacht. Die Studentin der SozialAnthropologie hat mit Anfang 20 den Mut besessen ein Missgeschick, welches sie fast um ihre gesamten Ersparnisse gebracht hat, semiautobiografisch in ihrem ersten Roman zu verarbeiten.
Von Christian Peterka, erschienen in der UHUDLA Ausgabe 116 / 2021
In ihrem 2019 erschienenen zweiten Buch hat sie das Thema der Apostasie, also des Abfalls vom Glauben, in diesem Fall vom Islam, und aller damit verbundenen Schwierigkeiten für die Betroffenen beschrieben.
Die Idee zu „Der Ungläubige” entstand bei ausgedehnten Recherchen für ihr Studium zu diesem in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Thema.
Weiters zeigt Jasmin Thoma auf ihrem Instagram Account im Breich der visuellen Kunst ihre zum Teil für Außenstehende verstörenden Fotos, in welchen Bilder der Angst sowie emotionaler und physischer Gewalt verarbeitet werden. Zur Zeit arbeitet sie an ihrem dritten Roman und macht das Masterstudium.
Jasmin Thoma hat ihren ersten Roman „Ohne Identität“ nach einer wahren Begebenheit geschrieben
Alina studiert Kultur- und Sozialanthroplogie in Wien. Die Bundeshauptstadt ist von ihrem Wohnort im Burgenland nicht gleich um‘s Eck und Neuland für die junge Studentin. Lange Bahnfahrten sind für die Besuche der Vorlesungen und Seminare notwendig. Abseits ihres Studiums hat sie einen Traum: Sie möchte professionelle Musikerin werden. Ein Freund aus der Musikszene attestiert ihr auch das vorhandene Talent und unterstützt sie bei Probeaufnahmen. Das Geld für den Dreh eines ersten Videos hat sie angespart.
Da nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Am Heimweg von der Uni wird sie von einer ihr Unbekannten angesprochen. Die von Alina sofort als Bettlerin Eingestufte stellt sich als „Maria“ vor und beginnt geschickt ein Netz um die Studentin zu spinnen. Sie erzählt ihr von Familien- und Wohnungsproblemen und der Notwendigkeit in ihre Heimat zurückreisen zu müssen. Und als ihr Alina beim nächsten Treffen einen gar nicht so kleinen Geldbetrag überlässt um eine der Bettlerin angedrohte Delogierung abwenden zu können, ist der erste Schritt in die Abhängigkeit der sehr konsequent vorgehenden Person getan. Bei weiteren Treffen überlässt die empathische Studentin der aufdringlichen Frau immer größere Geldbeträge, bis zu guter Letzt das ganze für den Start ihrer Musik-karriere angesparte Geld verbraucht ist.
Als intelligente Frau kann Alina selbst kaum nachvollziehen wie sie sich in solchem Maß hat manipulieren lassen können, und sie ist oft versucht die Reißleine zu ziehen und die Betrügerin – als solche entpuppt sich die psychologisch sehr gewandt agierende „Maria“ letztendlich – zurück zu weisen und nicht mehr zu treffen.
Aber die Studentin fühlt sich in zunehmendem Maße ohnmächtig und erwacht beinahe zu spät aus diesem Zustand, erst zu einem Zeitpunkt, zu dem sie nicht nur finanziell sondern auch bereits gesundheitlich geschädigt worden ist.
Dass sie trotzdem mit nur einem blauen Auge davon kommt verdankt sie ihrer Familie und Freunden, die nachdem sie sich zuerst ihrer Oma geöffnet hat, selber auf ähnliche Vorfälle in ihrem Leben verweisen können. Und ihr sie bei ihren Musikprojekten unterstützender Freund hat auch in dieser misslichen Lage eine Lösung parat, um Alinas Traum doch noch realisieren zu können.
Die Roman Verfasserin Jasmin Thoma, der der beschriebene Vorfall unter ihrem bürgerlichen Namen tatsächlich selbst passiert ist, besitzt den Mut, die Geschehnisse durch das Schreiben ihres ersten Romans aufzuarbeiten. Zugleich soll er Warnung sein, die Empathie und vielleicht auch Leichtgläubigkeit hintan zu stellen und sehr genau darauf zu achten, wem man wirklich Hilfe angedeihen lassen will.
Die Autorin erzählt die Geschichte in strukturiert sachlicher Form ohne dem Buch die Spannung zu nehmen
Nach der Veröffentlichung von „Ohne Identität” liefert Jasmin Thoma mit „Der Ungläubige“ den zweiten Streich in Romanform. Lydia und Amir sind ein Paar. Zwischen den Fronten. Amir hat sich nach langem inneren Kampf vom Islam losgesagt. Für seine Familie völlig inakzeptabel. Und noch weniger wird Lydia als sogenannte Ungläubige als seine Freundin akzeptiert. Ihr Vater wiederum warnt seine Tochter davor, Amir könnte seine Wandlung nur als Vorwand benutzen um Lydia zu gewinnen.
Dies ist der Ausgangspunkt für eine turbulente Geschichte, in deren Verlauf sich die Situation für das verliebte Paar immer weiter zuspitzt. Spannung erzeugend erzählt Jasmin Thoma in ihrem zweiten Roman, wie sich Lydias beste Freundin, eine Aktivistin der linken Szene, von ihr mit dem Argument abwendet, Amir würde im Internet Hass gegen seine ehemaligen Glaubensgenossen erzeugen. Was sich persönlich gegen die Mehrheit der Muslime im eigenen Land richte und damit rassistisch sei.
Auf der anderen Seite werden Amirs Postings von Rechtsextremen als Beweis der Rückständigkeit des Islams und seines Nichtpassens in die westliche Welt gewertet. Bei einer toleranten muslimischen Familie finden die beiden Protagonisten der Geschichte zeitweilig Unterschlupf, werden aber von Amirs Familie ausfindig gemacht. Immer gefährlichere Drohungen richten sich gegen den Abtrünnigen, aber auch gegen Lydia, von der sie Amir schon getrennt geglaubt hatten.
Als sie von einem Familienmitglied ihres Freundes auf offener Straße physisch attackiert wird, fällt sie beinahe in Ohnmacht. Nur mit Mühe schafft sie den Weg nach Hause. Lydias Vater fühlt sich in all seinen Vorurteilen bestätigt und möchte seiner Tochter den weiteren Umgang mit Amir verbieten. Aber trotz zeitweise wochenlanger Abwesenheit mit nur sporadischen Anrufen ihres Freundes hält Lydia eisern zu ihrem Partner, der mehrmals eine Trennung vorschlägt, um sie zu schützen…
Wie schon beim ersten Roman der Autorin nimmt auch diese Geschichte ein, wenn auch nur angedeutetes, gutes Ende.
Jasmin Thoma hat das brisante Thema der Apostasie, also des Abfallens von einer bestimmten Glaubensrichtung, in diesem Fall vom Islam, zum Thema ihrer Bachelorarbeit gemacht. Aus den vielen Recherchen, die sie in diesem Zusammenhang führte, entstand dann die Idee, die Resultate in einem Roman zu verarbeiten.
Wenig Fachliteratur stand Jasmin Thoma zu diesem gesellschaftlich verdrängten Thema zur Verfügung. Vielen Personen ist die mehrfache Problematik die sich für die AussteigerInnen aus dem Islam ergeben, nämlich die versuchte politische Vereinnahmung von Links und Rechts, aber auch die zum Teil lebensbedrohenden Aktionen aus dem eigenen familiären Umfeld, unbekannt oder kaum bewusst.
In einem sehr ausführlichen Nachwort geht die Autorin auf viele Zusammenhänge diese Problematik betreffend ein, auch ganz konkret mit Fallbeispielen und Beiträgen von ApostatInnen, auf deren Erfahrungen der Roman mit aufbaut.
Jasmin Thoma
Ohne Identität, nach einer wahren Begebenheit Roman
© 2017 tredition; ISBN: 978-3-7439-2812-1
192 Seiten, Paperback, Preis 10,49 EuroJasmin Thoma
Der Ungläubige Roman
© 2019 tredition ISBN: 978-3-7497-3132-9
168 Seiten, Paperback; Preis 10,99 Euro