Ein Kämpfer für Demokratie und Freiheit 

© Fred Fettner. Ernst Fettner

Ein Jahrhundert Ernst Fettner „Geh‘ du voran”, diese Aufforderung hat Ernst Fettner als Lebensmotto gedient. Hineingeboren am 29. Mai 1921 in bescheidene Verhältnisse einer Familie auf der Mazzesinsel, dem jüdischen Viertel der Wiener Bezirke Leopoldstadt und Brigittenau. 

Von Martin Wachter

Ernst kann auf ein Jahrhundert bewegter Lebensjahre zurückblicken. Er wurde von den Nazis verfolgt und zur Flucht nach Großbritannien gezwungen. Als aktiver Kämpfer und Soldat der britischen Armee war Fettner an der Befreiung Europas und Österreichs beteiligt.

1946 kehrte er über Umwege als Befreiungskämpfer gegen das Nazi Regime – für Frieden und Freiheit in seine Heimat zurück. In vielen Positionen und Betätigungsbereichen wirkte er als Journalist für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Solidarität.

Eine beschwerliche Jugend und eine gelungene Flucht

Als Ernst Fettner vier Jahre alt war, starb seine Mutter. Nach beschwerlichen und turbulenten Jahren mußte KleinErnst als sechs-Jähriger  für acht Jahre in ein jüdisches Waisenhaus nach Baden bei Wien übersiedeln. In dem Internat erlangte er mittelmäßige Schulbildung. Als jüdischer Jugendlicher stand ihm nur eine Berufsausbildung in der jüdischen Textilbranche in Wien offen. 

Die Pogrom-Nacht am 9. November 1938 war ein prägendes Erlebnis in seinem Werdegang. Lehrbub Fettner konnte sich mit mehreren Kollegen in der Schneiderwerkstatt verstecken. Die Sicherheit war trügerisch, das Versteck wurde verraten – und die Nazi-Schergen brachen die Hintertür auf. Sein Chef schickte ihn mit den Worten zur Tür: „Bua, geh du voran, Du bist der Kleinste, dir werden sie schon nichts tun”. 

Die diktatorischen Staatsmachtorgane jubelten über eine aufgedeckte „Kommunistische Zelle”. Nach sechs Wochen Haft und Drangsalierung verhalf die zionistische Jugendbewegung Hechaluz Ernst Fettner zur Flucht. Bis auf eine Tante und zwei Schwestern wurden alle anderen Mitglieder der großen Familie in unterschiedlichen Konzentrationslagern ermordet.

Der Kommunist und Freiheitskämpfer gegen die Diktatur

Bereits bei seiner Verhaftung nach der Pogromnacht wurde Ernst vorgeworfen ein Kommunist zu sein und dann hat er sich als Jugendlicher den stärksten Gegnern der Nazis, den Kommunisten angeschlossen. Ernst Fettners Resümée: „Wie konnte man damals in der finstersten Zeit des 20. Jahrhunderts was anderes als Kommunist sein. Heute 80 Jahre später schaut das schon anders aus”.

Mit dem Zug und dann per Schiff über den Ärmelkanal landete der 17-Jährige in einem Internierungslager und kam bald als “Helfer” auf eine schottische Farm. Dort begannen die Heimatvertriebenen und Geflüchteten  in der Bewegung „Young Austria” die Organisierung des Widerstandes gegen Hitler-Deutschland. Für Ernst die erste Bewährungsprobe, auch als Journalist. Er veröffentlichte fleißig Artikel und Beiträge in der Wandzeitung des Lagers. Fettner meldete sich 1942  freiwillig bei der schottischen Elitetruppe „Gordon Highlander” zur Ausbildung als Funker. 1943 war es soweit. Die Emigranten, nicht wenige von ihnen bereits wie Ernst Fettner Kommunisten, wurden in der gegen Deutschland kämpfenden British Army akzeptiert.

Am 6. Juni 1944 bekannt als DDay war Ernst bei der Landung der alliierten Truppen in der Normandie dabei. Über Frankreich in Richtung Norden, über die Brücke am Rhein nach Deutschland war der Soldat Fettner bei der Befreiung von der Nazi-Diktatur als Befreiungskämpfer im wahrsten Sinne des Wortes beteiligt. Für sechs Jahre Dienst in der Britischen Army bekam er mehrere Orden und Auszeichnungen.

Ein aktiver Gewerkschafter & solidarischer Zeitgenosse

Nach dem Sieg über das Nationalsozialistische Deutschland und der wiedergewonnenen Freiheit hatte Ernst Fettner nach dem Weltkrieg viele Optionen. Er hätte in Großbritannien bleiben, nach Palästina oder sonst wohin auswandern können. Er entschied sich 1946 für die Rückkehr in seine Heimat. 

Ein Lebensabschnitt in der britischen Besatzungszone in Klagenfurt folgte, wo er als Journalist im Kärntner Volkswille arbeitete.  Danach folgten drei Jahre Arbeit in Metallbetrieben. Als Dreher bei den Lastwagen- und Traktorenbauern im oberösterreichischen Steyr wurde er zum Betriebsrat gewählt. Die Gewerkschaftsfunktion war mit der Arbeit an der Betriebszeitung verbunden. Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde Fettner Redakteur in der kommunistischen Tageszeitung Volksstimme bis zur deren Ende im Jahr 1991. Ernst war viele Jahre Mitglied und in den 1980er Jahren Vizepräsident der Journalistengewerkschaft. Als Interessenvertreter der schreibenden Zunft hat Ernst immer ein Ohr am Puls der Zeit gehabt. Sein besonderes Engagement galt am Ende der 80er einer besseren sozialen Absicherung und einer ordentlichen Bezahlung der vielen freiberuflich tätigen JournalistInnen. Die Probleme für FreiberuflerInnen in den Redaktionen konnten damals nur teilweise zufriedenstellend gelöst werden. Nach wie vor herrschen in vielen medialen Bereichen schlechte Voraussetzungen für qualitätsorientierte journalistische Arbeit.

Ein beispielhaftes Vorbild für Demokratie & Menschlichkeit

Ernst Fettner ist ein Paradebeispiel für Engagement, gesellschaftliche Analyse, visionäres Handeln für eine bessere und gerechte Welt in Frieden, Demokratie und Freiheit. „Ich wollte Ende der 1930er Jahre unbedingt weg aus Österreich und Nazi-Deutschland. Ich wäre mit Boot, sogar Gummiboot trotz größter Gefahr und möglichem Untergang mit der ganzen Familie geflüchtet. Und heute, wenn wir schon dabei sind, möchte ich daran erinnern, ertrinken wieder tausende Flüchtlinge und viele Kinder. Man läßt sie untergehen. Das ist auf keinen Fall zu akzeptieren”, kommentiert der Jubilar den schrecklichen und traurigen gesellschaftlichen und politischen Zustand der Gegenwart auf dem Planeten Erde.
„Wir sind alle eine Rasse. Alle sind wir gleich und werden als Menschen geboren – Das ist es, was zählt“.

Ja, solche Erkenntnisse und die geschilderten Erlebnisse seines langen Lebens ehren und würdigen Ernst Fettner. Auszeichnungen und Ehrungen, unter anderem das Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien sind ein anerkennendes und sichtbares Zeichen für einen außergewöhnlichen Zeitgenossen


Geh‘ du voran

Ernst Fettner hat unter tatkräftiger Mithilfe von Jana Waldhör als Herausgeberin sein Buch im Frühling 2021 veröffentlicht.
„Es ist nicht nur für uns als Familie ein unglaubliches Werk geworden. Ich bin überzeugt, dass  auch Menschen, die ihn nicht kennen, das Buch gerne lesen werden. Und wie mein Vater bei der Präsentation gesagt hat: „Wem der Anfang mit Exil und Krieg zu traurig ist, soll weiter blättern, dann wird’s lustiger.“
Das Buch selbst ist eine Mischung. Es hat Elemente einer wissenschaftlichen Dokumentation, ist im Kern ein Fachbuch, weist doch in den Erzählungen belletristische Momente auf und ist aufgrund der zahlreichen Abbildungen fast ein Fotoband. Diese Zeilen sind ein Begleittext von Ernst Fettners Sohn Fred.

Ernst Fettner:
„Geh‘ du voran“ – Ein Jahrhundert.
Hg. v. Jana Waldhör.
© 2021 CLIO-Verlag.
ISBN 978-3-902542-93-9
Gebunden, 184 Seiten, über 200 teils farbige Abbildungen
Preis: 25 Euro

© Margit Hübler. Ernst Fettner Lesung im Literaturhaus Wien.

Ernst Fetter, Familie und Privat
Auszug aus Internet Plattform Wikipedia:
Nach der Rückkehr nach Österreich im Jahr 1946
blieb Ernst Fettner vorerst beruflich den lokalen Themen in Kärnten verbunden. 1949 heiratete er Hilde Oppenheimer, die er bei einem Treffen von „Young Austria“ in London kennengelernt hatte. Ihre Familie waren Weinhändler in Mainz, die wegen ihrer jüdischen Herkunft nach der Flucht nach Belgien und. Holland ebenfalls in Konzentrationslagern ermordet wurden. Ernst und Hilde Fettner lebten in Pritschitz und in Klagenfurt.
1950 kam in Klagenfurt Sohn Peter zur Welt. Ernst Fettner trat der kommunistisch orientierten Freien Österreichischen Jugend (FÖJ) bei. 1953 mußte er die dortige Redaktion des „Volkswille” (Kärntner Vollkstimme Ausgabe) verlassen. Hintergrund war der „Stalinismus” in der KPÖ, und das große Misstrauen gegenüber dem mit der britischen Armee ins Land gekommenen Redakteur. Danach Umzug mit Familie in eine Wiener Gemeindewohnung in Lainz. 1956 kam der zweite Sohn Fred zur Welt. Beruflich war es in erster Linie Niederösterreich, über das er in dieser Zeit viele Reportagen verfasste. 1968 berichtete er während eines Ferienaufenthalt in der CSSR exklusiv für seine Zeitung vom Prager Frühling und dem Einmarsch der Warschauer-Vertrag-Truppen.
1968 verstarb seine Ehefrau, und Fettner heiratete 1969 seine Arbeitskollegin Herta Felbermayer († 2019). In der Volksstimme war Ernst Fettner im Innenresort tätig, wo er über viele Jahre zum „Journalisten-Tross“ von Bundeskanzler Bruno Kreisky zählte. Zum Ende der beruflichen Karriere wurde Ernst Fettner noch Motorjournalist. In den letzten Jahren wurde er zunehmend als Zeitzeuge vom Autor zum Objekt journalistischer Recherchen, wobei die Recherchierenden auf seinen großen Schatz an Aufzeichnungen und Fotos ebenso wie auf seine humorvollen Erzählungen zurückgreifen konnten.
Ernst Fettner hat seit seiner Jugend Sport getrieben. Er spielte Fußball im Waisenhaus und im englischen Exil, und er war Langstreckenläufer. Im Alter spielte er Tennis und Golf. Er ist als Mitglied des GC Wienerberg der älteste aktive Golfspieler Österreichs, der wenige Tage vor seinem 100. Geburtstag 18 Loch absolvierte.

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