Keine Erfolge ohne Kampf

Bauvolk
© David Lang


Steuerpfusch der schwarzblauen Regierung
■ Die ÖGB- und AK-Spitzen zeigen sich – gelinde gesagt – „kopflos“. Den Vogel schoss dabei die neu gebackene FSG AK-Präsidentin Renate Anderl ab. In einer Pressestellungnahme meinte die AK-Präsidentin wohlwollend: „Dass die Bundesregierung nun Schritte setzt, um die ArbeitnehmerInnen zu entlasten, ist gut, höchst an der Zeit, aber es wäre für die ArbeitnehmerInnen noch mehr drinnen gewesen“ und „dem Steuerreform-Paket fehlt es an Ausgewogenheit“.

Ein „Meisterstück dieser Koalition“ ist diese Steuerreform, wenn’s nach „Die Presse“ geht. Die KOMintern, Kommuniustische Gewerkschaftsinitiative International sieht das anders. Die von Kanzler Kurz und Koalitionspartner Strache angekündigte Reform dient der weiteren Umverteilung von Unten nach Oben und lässt Geschenke für die Reichen regnen.

Öffentlichkeitsgerecht pünktlich am Vortag des 1. Mai hat die schwarz-blaue Bundesregierung die neue Steuerreform vorgestellt, um mit medialen Nebelgranaten an der a-sozialen „Schieflage“ des österreichischen Steuersystems die Schraube eine Windung weiter zu drehen.

In der Tat: rund 35 – 40 Prozent dieser Steuerreform fließt in die Taschen der Unternehmer. Dabei stammen nach den dem Kapital zugeschanzten Steuergeschenken der letzten Jahrzehnte schon jetzt nur mehr ledigliche 5,8 Prozent der Steuereinnahmen aus Gewinnen.

Mit dem läppischen vermögensbezogenen Anteil am Steuereinkommen von 1,3 Prozent rangiert Österreich überhaupt als Schlusslicht in Sachen Vermögensbesteuerung. Eine Entwicklung, die bereits durch die SPÖ mit der Abschaffung der Vermögenssteuer und dem Generalumbau Österreichs in ein Steuerparadies für Konzerne, Banken und Superreiche unter Franz Vranitzky und Ferdinand Lacina eingeleitet wurde. Und heute in der absurden Zurückweisung einer Vermögenssteuer durch die neue SPÖ-Chefin Rendi-Wagner ihre nahtlose Fortsetzung findet.

Während die Reichen und Superreichen im heimischen Vermögenssteuer-Paradies weiterhin ungeschoren von Millionärs- und Milliardärssteuern jeder Umverteilung von Oben nach Unten entzogen bleiben, wird die Gewinnsteuer (KöSt) der Unternehmer abermals kräftig nach unten gedrückt.

Die unter Schwarz-Blau I drastisch von 34 Prozent auf 25 Prozent abgeschmolzene Gewinnsteuer wird in einem Doppelschritt  bis 2023 nochmals um 1,6 Mrd. Euro auf 21 Prozent zugunsten des Kapitals gedrückt

Daneben enthält die vorgestellte Steuerreform von günstigeren Abschreibebedingungen bis hin zur Erhöhung des Gewinnfreibetrags freilich noch eine ganzen Palette zusätzlicher Entlastungen für Unternehmen unterschiedlichen Typs. Wobei, um an dieser Stelle gleichzeitig auch nochmals die Kontinuitätslinien der kapitalen Wende in Erinnerung zu rufen, die 1989 noch bei 55 Prozent gelegene KöSt schon vom damaligen sozialdemokratischen Finanzminister Ferdinand Lacina unter der SP-geführten Vranitzky-Regierung um des Florierens wie Befeuerns der Profite willen massiv zusammengestutzt und annähernd halbiert wurde. Mit der 1994er Steuerreform Lacinas – in leichter Kompensation zur Abschaffung der Vermögenssteuer und der Gewerbesteuer – dann ihre vorübergehende vor-schwarz-blaue Ausgestaltung auf deutlich reduzierten 34 Prozent fand.

Dem korrespondiert als andere Seite der Medaille, dass exorbitante 80 Prozent des österreichischen Steueraufkommens heute von den Arbeitenden, PensionistInnen und KonsumentInnen geleistet und getragen werden.

Entsprechend dem KurzStrache Regierungs-Credo der Senkung der (nur für Vermögende leistbare) Abgabenquote von – zu schwarz-blauen Amtsantritt – 43 Prozent auf 40 Prozent soll das robuste Körberlgeld an die Industrie und Unternehmerschaft durch „Einsparungen im System“ (sprich: vorrangig Sozialabbau) gegenfinanziert werden. Was im Klartext darauf hinausläuft, dass für das Gros des einen oder anderen Euro mehr im Geldbörsel im Gegenzug auf der anderen Seite die Sozialleistungen zurückgefahren und Versicherungsleistungen mehr und mehr privat zu berappen sein werden.

Diesem Credo gehorcht auch die – von den Lohnabhängigen zudem fürs Erste aus der ‚kalten Progression´ selbst finanzierte –  Senkung des Eingangssteuersatz von 25 auf 20 Prozent, sowie der Senkung der nachfolgenden Lohnsteuertarife von 35 auf 30 Prozent und 42 auf 40 Prozent. Ihnen geht dementsprechend auch keine nach oben verlängerte Lohnsteuerprogression und Erhöhung des (ehemals von 62 auf 50 Prozent deutlich abgesenkten) Spitzensteuersatzes einher.

Anstatt die Bemessungsgrundlage des Eingangssteuersatzes (bisherige Steuerfreigrenze bis 11.000 Euro) für Niedrigsteinkommen anzuheben (was in allen Debatten ausgespart ist) und die Entlastung der niedrigen und mittleren Einkommen differenziert und umverteilungsfinanziert zu entlasten, sowie gleichzeitig das Steueraufkommen per Saldo über Umverteilung (höhere Besteuerung der obersten Einkommensdezile sowie einer kräftigen Anhebung des Spitzensteuersatzes) parallel zu erhöhen, wird dieses einer Senkung der Abgabenquote geopfert.

Das wiederum lässt nicht nur abermals das Strukturproblem des österreichischen Steuersystem außen vor, sondern gaukelt auch vor, dass angeblich vor allem die niederen und mittleren Einkommen von der vorgestellten Steuerreform profitieren würden, was aufgrund des sogenannten zusammengesetzt progressiven Lohnsteuertarifs des österreichischen Lohnsteuersystems nicht stimmt. Weshalb sich die jetztige Steuerstufensenkung auch bereits als ÖVP „Wahlkampftarif“ finden lässt.

Die Hauptprofiteure der Steuerreform sind demgemäß in Wirklichkeit auch nicht wie kolportiert die Gering- und Kleinverdienenden, sondern allem voran die Besser- und Top-EiunkommensbezieherInnen

Das lässt sich unschwer selbst den Berechnungen der Regierung entnehmen. Während Gutverdiener und Hochlöhner ab 6.000 Euro Monatsgehalt – sprich: etwa leitende Angestellte oder Fachärzte – durch die fünf prozentige Senkung der unteren Steuerklassen sich aufgrund des Kumulationseffekts durch sämtliche Steuerstufen hindurch 1.661 Euro Lohnsteuer ersparen, erhält beispielsweise eine teilzeitbeschäftigte Handelsangestellte demgegenüber nur 100 – 200 Euro oder eine Kanzlei-Kraft bloß etwa 300 Euro mehr im Jahr.

Dazu kommt die weiter auf die lange Bank geschobene Abschaffung oder mindestens eindämmende Regulierung der ‚kalten Progression´, die dem Finanzminister bis zum Inkrafttreten der Steuerreform nicht nur 7 – 8 Mrd. Euro in die Kasse spült, sondern auch einen Teil der Entlastungen sogleich wieder verpuffen lässt. Die langjähige gewerkschaftliche Forderung nach mehr Absetzbeträgen, anstatt der (sozial stärker den Höher- und Hochverdienenden zu Gute kommenden) Freibeträgen, wiederum, ist schlicht unter den Tisch gekehrt.

1,4 Millionen Arbeitenden, also jeder und jede Dritte im Land, verdienen überhaupt so wenig, dass sie keine Lohnsteuer zahlen. Diese Lohnabhängigen schauen weitgehend gänzlich durch die Finger. Sieht man von der – zudem alles andere denn unproblematischen – Krankenversicherungs-Beitragskürzung für GeringverdienerInnen ab, deren gleichzeitiger finanzieller Beitragsersatz an die Krankenkassen darüber hinaus völlig ungesichert ist. Aktuell, solange die Konjunktur noch halbwegs läuft, die Beschäftigung steigt, die Steuereinnahmen sprudeln und die nächsten Wahlen noch bevorstehen, wird es jenen finanziellen Beitragsersatz wohl geben. Aber was, wenn die Konjunktur einbricht und die nächste Rezession kommt? Anstatt wie von KOMintern gefordert, gerade auch diese „McJobs“-Einkommen, von denen Hundertausende kaum ihr Leben fristen können, über eine kräftige Anhebung der Negativsteuer und Absetzbeträge  – und letztere endlich voll negativsteuerfähig anzusetzen –  massiv zu entlasten.

Dass die Sozialdemokratie dem schwarz-blauen Kabinett ebenfalls ein ungenutzt lassen des Gestaltungshebels der Negativsteuer ankreidet, ist in diesem Zusammenhang jedoch bloße mediale Schaumschlägerei. Noch bei der letzten Lohnsteuerreform unter Rot-Schwarz haben die ÖGB- und SPÖ-Spitzen die dahingehenden KOMintern Forderungen und im Detail ausgearbeiteten Ansätze schon im Keim abgewürgt und entsprechende diesbezügliche Anträge in der AK rigoros niedergestimmt.

Zwar wusste bereits Karl Valentin mit einem treffenden Bonmot zu sagen: „Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“. Aber, um das völlige Versagen dieser Steuerreform hinsichtlich einer unumgänglichen Ökologisierung des Steuersystems zu konstatieren, braucht man auch gar keine komplexen Prognosen zu riskieren. Das alles vor dem Hintergrund, dass es bezüglich des Klimawandels nicht „5 vor 12“, sondern vielmehr bereits „5 nach 12“ ist. Österreich wird nach Ansicht von ÖVP-Umweltministerin Köstinger die vereinbarten Klimaziele deutlich verfehlen. Das wird zukünftig Budgetbelastungen in Milliarden Euro zur Folge haben.

Diese Steuerreform ist kein „Meisterstück dieser Koalition“, wie Die Presse jubilierend verklärte. Man darf ob dessen aber auch nicht in die Falle tappen der  Sozialdemokratie auf den Leim zu gehen, sie repräsentiere dagegen einen eigenständigen, gar grundlegend alternativen Entwicklungspfad. Für eine tatsächliche sozial-ökologische Wende müssen engagierte GewerkschafterInnen, Werktätige und fortschrittlich orientierte Menschen in Österreich die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Es gilt eine neue, kämpferische Perspektive von Unten zu entwickeln.

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