Portwein Konektschen ■ Am 10. 09. 1756 unterzeichnet König D. José I. von Portugal das Gesetz zur Schaffung des ersten Weinbaugebietes der Welt.
Von Henrietta Bilawer
Von jenem Zeitpunkt an waren die im Umkreis der portugiesischen Nordmetropole Porto angebauten Reben durch die Ursprungs-Bezeichnung der geografischen Region geschützt. Gleichzeitig wurde die ‘Companhia Geral da Agricultura das Vinhas do Alto Douro’ mit Sitz in der Stadt Porto gegründet – durch diese Verwaltungsakte entstand das erste, beständig geltende Weinrecht überhaupt.
Zwar hatte bereits kurz nach Beginn unserer Zeitrechnung der römische Kaiser Domitianus Augustus das Verbot erteilt, außerhalb Italiens Rebstöcke anzupflanzen; das hatte sogar Rodungen bestehender Weinberge in anderen römischen Provinzen zur Folge. Die Beschränkung hielt jedoch nur etwa 200 Jahre, bis Kaiser Aurelius Probus Augustus mit einer neuen Verordnung Galliern, Spaniern und Briten den Besitz von Weinstöcken sowie die Weinproduktion wieder erlaubte.
Die Geschichte des Weinbaus in den Ländern des europäischen Kontinents ist lang und wechselvoll
Das gilt auch für Portugal und für den Portwein: Er ist seit den zertifizierten Anfängen vor 266 Jahren ein Aushängeschild der Jahrhunderte alten portugiesischen Winzerkunst. Und die Weinberge entlang des Flusses Douro sind nicht erst in Zeiten der Globalisierung Objekt der Begierde von Weinproduzenten aller Herren Länder. Ein luso-britannisches Handelsabkommen aus dem Jahr 1386 regelte als Gegenleistung für Kabeljau-Fangrechte vor der britischen Küste die Lieferung von ‘Vinho de Lamego’, dem Vorläufer des ‘Vinho do Porto’, nach London.
Die edlen Tropfen aus den Trauben der lusitanischen Sonnenhänge genossen bald höchste Wertschätzung am englischen Königshof. Nachdem Portugal mit britischer Unterstützung in der Schlacht von Aljubarrota seine Unabhängigkeit von Spanien errungen hatte, schworen sich beide Länder in jenem Vertrag von Windsor „ewige, unzerstörbare“ Freundschaft. Der Pakt, der bis heute gilt und als ältester ununterbrochen gültiger Vertrag gilt, beflügelte über dreihundert Jahre lang den Weinhandel vom Douro an die Themse. Als sich dann später zudem Britanniens Beziehungen zu Frankreich verschlechterten, wandten sich Londoner Kaufleute auf der Suche nach exportfähigem Wein endgültig Portugal zu.
Im Zuge des Handels wurden Zollpapiere ausgestellt. Dort findet sich bereits im Jahr 1676 erstmals die Herkunfts-Bezeichnung „Porto“ für Wein aus dem Dourotal. Während heute über 400 Rebsorten im Land gedeihen (viele davon autochthon), über 80 davon in der Region Douro, von denen die Hälfte für die Herstellung von Portwein zugelassen ist und die autochthone rote Touriga Nacional als die wertvollste gilt, verdienten Weinqualität und Hygiene vor 300 Jahren aus der heutigen Sicht allenfalls das Prädikat „Mangelhaft“– jedenfalls in den Handel treibenden Kellereien der Region. Denn der wirklich gute, im Wortsinne kost-bare Rebensaft, der auch hohe Ansprüche der gediegenen Kundschaft befriedigen konnte, lagerte damals nicht in den Weinkellern, sondern in den Klöstern.
1678 lernten zwei Mitarbeiter eines Weinhändlers aus Liverpool in Viana do Castelo den Abt von Lamego kennen
Er servierte ihnen einen Wein, der sie faszinierte. Das göttliche Geheimnis des ‘Priest-Port’, wie ihn die Kaufleute tauften, steckte im Weingeist: Während der Gärung fügten die Mönche dem Wein Neutral-Alkohol hinzu und stoppten so den Gärprozess. Der nicht vergorene Restzucker der Trauben verlieh dem Portwein seinen Geschmacks-Charakter, der Alkohol konservierte den Wein auch über Transport und Lagerung hinaus und bewahrte seine Güte.
Der Triumphzug des Weines setzte sich fort, dazu trug ein weiteres Abkommen bei: Der Methuen-Vertrag vom Herbst 1703 machte den Weg frei für den britischen Textil-Export nach Portugal und in die portugiesischen Kolonien. Portugal erhielt dafür höhere Handelsquoten für seine Weinausfuhr nach England. Der Vertrag begünstigte allerdings einseitig die Briten: Zu Beginn der Industriellen Revolution sicherte sich England durch diesen Vertrag einen Absatzmarkt für Textilien, was dazu führte, dass Portugals Weber mit der neuen, wachsenden Konkurrenz zu kämpfen hatten. Doch der Methuen-Vertrag verschaffte der Portwein-Produktion einen Boom, und selbst Queen Anne orderte ihn fassweise. Doch die sprunghaft steigende Nachfrage setzte die Erzeuger unter Druck, es folgte ein Qualitätseinbruch.
Als deshalb der Marquês de Pombal, Premierminister des Königs D. José I, dem Regenten im Jahr 1756 das Dekret zur Gründung der ‘Companhia Geral da Agricultura das Vinhas do Alto Douro’ zur Unterzeichnung vorlegte, war die erste anerkannte Weinbauregion der Welt (Região Demarcada do Douro) geboren. Pombal assoziierte eine Gesellschaft zur Garantie von Qualitätskriterien: Die Anbaugebiete am Douro wurden in einem Kataster nach Bodenbeschaffenheit, Klima, Höhenlage, Hang-Neigung, Alter der Rebstöcke und Ertragsmengen klassifiziert. Die Qualitätssicherung gab den Produzenten Sicherheit. Sehr rasch kamen Winzer und Exporteure aus vielen Ländern und der Durchschnittskunde in Ausland setzt bis heute portugiesischen Wein allzu häufig mit Portwein gleich. Und dorthin, in andere Länder, gehen etwa vier Fünftel der Portwein-Produktion.
Namen der Portweinhäuser verraten bis heute die Jahrhunderte währende, internationale Bedeutung der Region
Briten wie Chairman’s, Croft, Sandeman und die schottisch-stämmige Familie Symington siedelten sich an; Letztere ist inzwischen einer der größten Portwein-Anbieter weltweit und hat vor einigen Jahren u.a. die 1815 gegründete Traditions-Kellerei Cockburn’s hinzugekauft. Niederländer wie Niepoort und Norweger wie Wiese & Krohn zog es ebenfalls an den Douro. Auch Deutsche wurden sesshaft und erfolgreich: Kopke (die älteste, heute noch existierende Portwein-Kellerei, von Christian Köpke 1638 gegründet), Burmester (Johann Wilhelm Burmester aus Hamburg war ab 1750 in Vila Nova de Gaia tätig) oder Andresen (Jan Hinrich Andresen kam 1840 von der Insel Föhr nach Porto).
Portwein hat als Erzeugnis mit geschütztem Namen Jahrhunderte der Wirren von Kriegen, Diplomatie und wirtschaftspolitischem Auf und Ab von Absolutismus, aufgeklärter Monarchie, Republik, Diktatur und EU-Weinmarkt-Regelungen überstanden und ist eines der ältesten Erzeugnisse der Welt, obwohl „er eigentlich jeder kommerziellen Logik widerspricht“, so ein Sprecher des Portwein-Instituts IVDP: „Wer würde heute noch ein Produkt auf den Markt bringen, das erst einmal Jahre, ja, Jahrzehnte lagern muss, ehe es handelsfertig ist?“
Doch schränkt die Tradition bei den Portwein-Erzeugern keinesfalls die Ideen für Innovationen ein. Die spanischen Nachbar-Provinzen Galicien und Kastilien-León produzieren ebenfalls bekannte, gute Tropfen. In der Landwein-Region Arribes del Duero am Douro ist ein vielversprechendes Qualitätsweingebiet gewachsen. Warum also kein grenzüberschreitendes Produkt im Sinne önologischer, kellerwirtschaftlicher Völkerverständigung – aber grenzübergreifende Weine dürfen in der EU nur als Tafelweine etikettiert werden, ohne Angabe von Herkunftsort, Rebsorten, Jahrgang. Dennoch halten die Winzer am Douro neue Wege und Internationalisierungen für ein lohnendes Experiment.
Bildtext: Den Rebstock habe ich zwar in der Algarve fotografiert, aber in den uralten Flaschen, die ich in einer ‘Garrafeira’ in Lissabon entdeckt habe, ist Portwein.