Die Reichen wollen im Geld baden

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Europabad am Attersee. © unbekannt (Furtlehners Blog)

Europacamp der SJ am Attersee ■ Die Investoren liegen auf der Lauer und verursachen „Hohe Wellen am schönsten Ort der Welt”. In ihren Sonntagsreden predigen etablierte PolitikerInnen neben sonstigen Plattitüden gerne auch die Notwendigkeit des freien Zuganges zu den heimischen Seen.

Eine Analyse von Leo Furtlehner

Praktisch gilt freilich das Gegenteil, wie etwa am Attersee: Dort sind 76 Prozent der Seeufer in Privatbesitz – durchwegs von „Gstopften“, wie die zahlreichen Nobelvillen von „Zugereisten“ beweisen.

Nur 13 Prozent sind öffentlich zugänglich, elf Prozent sind Natur. Kein Wunder, wenn es da an heißen Sommerwochenenden rund um den See ziemlich eng wird, wenn alle zum kühlen Nass drängen.

Die Begehrlichkeit, auch die wenigen öffentlich zugänglichen Seeufer einer profitablen Verwertung zu unterwerfen ist allerdings größer als die Beteuerung der freien Zugänglichkeit. Deutlich wird das etwa beim Konflikt um das Europacamp der Sozialistischen Jugend SJ in Weißenbach am Attersee.

Die Rechnungshöfe als Antreiber

Seit Jahr und Tag forciert vor allem die Landes-ÖVP eine Neuregelung der Kostenfrage. Laut einem 1951 abgeschlossenen und für 99 Jahre geltenden Vertrag zahlt das Europacamp nämlich nur symbolische 25 Schilling im Jahr für die Nutzung des Areals. Darüber hat sich der Landesrechnungshof mokiert und als Ergebnis eines Prüfberichts im Jahre 2018 eine satte Anhebung der Pacht auf „marktübliche Preise“ verlangt, was 2019 vom Bundesrechnungshof bekräftigt wurde. Der für seine soziale Kälte bekannte ÖVP-Landesgeschäftsführer und „Sozialsprecher“ Wolfgang Hattmannsdorfer verspürt damit Rückenwind und urgiert, dass „die SPÖ endlich marktkonforme Preise zahlt und ihre Polit-Privilegien aufgibt“ (OÖN, 26.6.2020).

Was stört es den Juristen Hattmannsdorfer, dass die SPÖ gar nicht Pächter ist, sondern deren Jugendorganisation? Was stören ihn gültige Verträge – geht es doch nur um billiges Polit-Bashing im anlaufenden Landtagswahlkampf für 2021. Als Draufgabe hat ihm der Unabhängige Parteien-Transparenzsenat im Zuge der Überprüfung der Parteienförderung zusätzliche Munition geliefert, als er den günstigen Pachtvertrag der SJ als „unzulässige Parteispende“ einstuft und deswegen der SPÖ eine Strafe von 45.000 Euro aufbrummen möchte.

Pikant dabei ist freilich, dass der ÖVP ihrerseits im Jänner 2020 eine Strafe von 70.000 Euro auferlegt wurde, weil auch das vom Land an die Junge ÖVP verpachtete 14.000 Quadratmeter große Areal des Austria-Camp in Mondsee nur zu einem symbolischen Betrag von 73 Cent pro Quadratmeter verpachtet wurde. Dort erfolgte insofern eine Neuregelung, als die Junge ÖVP seit 2019 nunmehr 92.590 Euro pro Jahr für ihr Areal an die Landes-Immobilien GmbH (LIG) zahlt, was 6,60 Euro pro Quadratmeter entspricht. Die JVP wird sich wohl bei den Subventionen des Landes schadlos halten: Immerhin kassierte die schwarze Jugendorganisation 2019 laut Förderungsbericht satte 528.000 Förderung (RFJ 200.000, SJ 105.000, Grüne Jugend 40.000).

Allerdings sind die beiden Fälle insofern nicht vergleichbar, als das Areal des Europacamps eine Geschichte von Verfolgung, Enteignung und Restitution darstellt. Im Jahre 1951 verkauften die damaligen Eigentümer des Areals Ludwig Schrenzel und dessen Schwester Gertrude (Gerta) Webern das Grundstück an das Land Oberösterreich, wobei im Kaufvertrag der SJ ein Bestandsrecht für 99 Jahre für die Errichtung eines Jugenderholungslagers übertragen wurde.

Ludwig Pollak (der sich nach 1934 in Frenzel umbenannte) wurde 1890 in Wien geboren. Er trat bereits 1923 der Sozialdemokratie und 1924 dem Republikanischen Schutzbund bei, war Gemeinderat, Ortsparteivorsitzender und Fraktionsführer in Wieselburg, engagierte sich bei den Kinderfreunden, den Roten Falken und der Sozialistischen Arbeiterjugend. Er wurde wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner sozialdemokratischen Haltung sowohl vom Austrofaschismus als auch vom Nazi-Regime verfolgt.

Geschichte von Arisierung und Restitution

Der Familienbesitz wurde 1938 zugunsten des „Landes Oberdonau“ wegen der „kommunistischen Einstellung der Familie Pollak“ und der Beteiligung Pollaks an den Februarkämpfen 1934 von der Gestapo entschädigungslos arisiert. Gerta Pollak emigrierte nach der Enteignung nach Großbritannien 1939 wurde das Grundstück um 150.000 Reichsmark an eine Versicherungsgesellschaft verkauft. Doch die Geschwister überlebten den Nazi-Terror und forderten 1947 als Erben ihres 1941 verstorbenen Vaters Josef Pollak die enteigneten Liegenschaften zurück.

1948 erhielten sie das arisierte „Hotel Post“ in Weißenbach – dessen Geschichte in dem Buch „Die Villen vom Attersee. Wenn Häuser Geschichten erzählen“ von Marie-Theres Arnbom (Verlag Amalthea) gut dokumentiert ist – wieder zurück, mussten allerdings 90.000 Schilling Ablöse bezahlen: „Ein kurzer Besuch in Weissenbach genügt nicht, um sich über alle Verheerungen und Verunstaltungen klar zu werden. […] Ich war auf einiges gefasst, aber doch nicht auf den Anblick, der sich mir bot“, schrieb Gerta Pollak im Mai 1949 an ihren Bruder Ludwig.

1951 erwarb das Land von den restituierten Eigentümern eine große Wiese. Die Verkäufer hielten als Auflage ein Bestandsrecht der SJ „unkündbar auf die Dauer von 99 Jahren gegen einen jährlichen Anerkennungszins von 25 Schilling“ sowie ein Vorkaufsrecht fest. Anfang der 1960er Jahre wurde diese Wiese gegen das heutige rund 37.100 Quadratmeter große Areal eingetauscht, was auf den ursprünglichen Kaufvertrag aber keine Auswirkungen hatte. 1962 wurde auf dem Areal das heutige Europacamp eröffnet, 1963 das Europabad, heute einer der letzten frei zugängliche Badeplätze am Attersee.

Wie in der 2011 erschienenen Festschrift „60 Jahre Europacamp“ freimütig eingeräumt wird geistert „Die Legende von der CIA“ durch das Europacamp und „wurde von einer SJ-Generation zur nächsten weitergegeben“. Der Hintergrund dafür ist, dass sich die regierungskonformen Jugendorganisationen anlässlich der 1959 in Wien stattfindenden 7. Weltfestspiele der Jugend und Studenten dazu einspannen ließen ein Gegenfestival zu organisieren um die Vorzüge der „freien Welt“ darzulegen und dafür durch Gefälligkeiten des dabei Regie führenden US-Geheimdienstes CIA entschädigt wurden.

Aber trotz „intensiver Recherchen konnten keine Unterlagen gefunden werden, die dieses Gerücht bestätigen“ heißt es in der Doku. Fakt ist freilich, dass sowohl die Errichtung des Europabades als auch der großzügige Ausbau des Europacamps „zufällig“ in den Jahren nach 1959 erfolgten. Und über die dafür erforderlichen Finanzflüsse darf natürlich spekuliert werden.

Super Freizeitangebot für Jugendliche

Das Europacamp besteht aus einer Jugendherberge mit 68 Betten, Bungalows und Plätzen zum Zelten. Campen ist günstig – ein kleines Zelt kostet 5,50 Euro plus 7,70 Euro pro Person, ein Wohnwagen 10,50 Euro. Im Gegensatz zum Austria-Camp der Jungen ÖVP am Mondsee gibt es im Europacamp jedoch keine Dauercamper.

Zur Infrastruktur gehören neben einer Jugendherberge auch Bungalows, Zeltlager, Sanitäranlagen sowie ein kostenloser Parkplatz, ein Volleyballplatz und eine Tischtennis-Anlage. Jugendgruppen, junge Familien ohne viel Urlaubs-Budget und Vereine nutzen die Anlage, die ebenso wie das dazugehörige Europabad ist mitsamt aller Einrichtungen seit einigen Jahren gänzlich barrierefrei, um auch sozialen Vereine zu ermöglichen, hier Ferien zu machen. Das Buffet wird von Ferialpraktikanten geführt, in den Ferienmonaten Juli und August sind im Camp etwa zehn Personen angestellt.

In der weiteren Entwicklung wurde in den 1990er Jahren die Kompetenz für das Europacamp von der Bundes-SJ auf den oberösterreichischen Landesverband bzw. den Trägerverein verlagert. Auch wurde die Nutzung über die Sozialistische Jugend hinaus ausgeweitet, etwa 1992 durch die Unterbringung von Flüchtlingen aus Bosnien. Seit 1997 findet im Europacamp auch das vom Kulturverein Willy organisierte „Festival des politischen Liedes“ statt. Im „Flüchtlingsjahr“ 2015 wurden im Europacamp wiederum Asylsuchende untergebracht.

Im Juli 2019 hatte der Rechnungshof die „nicht marktkonforme niedrige Pacht“ als – seit 2012 – illegale staatliche Parteispende bewertet, worauf die SJ ein Gutachten in Auftrag gab. Bei den Verhandlungen um den Pachtzins für das Europacamp wirft sie aber den freien Seezugang in die Waagschale, sieht aber maximal 17.800 Euro Mietzins im Jahr als Verhandlungsbasis für die Neubewertung des Europacamps samt Badeplatz.

Nicht gewinnorientiert

Mit dem von der LIG geforderten Pachtzins von 7,50 Euro pro Quadratmeter, was eine Jahrespacht von 278.250 Euro bedeuten würde, wäre das Europacamp nämlich nicht mehr finanzierbar und müsste den Betrieb einstellen. Damit würde freilich auch das Vermächtnis der früheren Eigentümer, auf dem Areal Jugendarbeit nicht zuletzt zugunsten einkommensschwacher Menschen zu fördern, obsolet und vertragswidrig.

Es ist allgemein und damit auch dem ÖVP-Scharfmacher Wolfgang Hattmannsdorfer hinreichend bekannt, dass das Europacamp kein gewinnorientiertes Unternehmen ist, sondern vor allem durch den Einsatz großer personeller und zeitlicher Ressourcen durch ehrenamtliche Arbeit funktioniert. Die sanitären Anlagen, die Parkplätze und die Nutzung der Liegewiese sind gratis, nur für das Europacamp wird Miete für die Plätze verlangt.

Laut der 110-seitigen Expertise eines Sachverständigen beträgt „der marktübliche Hauptzins des Bewertungsobjektes Europacamp & Europabad (…) zum Stichtag 1.6.2019 zusammen rund 17.800 Euro ohne Betriebskosten & Umsatzsteuer per anno“. Bei der anstehenden Anpassung des Zinsniveaus ist die SJ-Landesvorsitzende Nina Andree der Ansicht, dass das Gratisbad davon auszunehmen sei. Dann bliebe ein jährlicher Zins von 7.538 Euro übrig. Wenn keine Einigung über die Pacht zustande kommt, könnte noch die zweite Option des ursprünglichen Vertrages, nämlich das Vorkaufsrecht wahrgenommen werden. Dabei müsste allerdings die SJ respektive ihre Mutterpartei SPÖ 1,8 bis zwei Millionen Euro als Kaufpreis aufstellen.

Hinter dem semmeltrenzerischen Lamento der ÖVP über die „Doppelmoral der SPÖ“ und dem Vorwurf „Moral zu predigen und gleichzeitig fleißig am Privilegien-Kuchen der 1950er Jahre zu naschen“ stecken freilich neben gezielten Polit-Bashing vor allem handfeste ökonomische Interessen. Es würde nicht verwundern, wenn sich nach einer kalten Enteignung der SJ profitlüsterne Investoren das Areal des Europacamps unter den Nagel reißen würden, um dort hochpreisige Luxusferienwohnungen oder Appartements für „Gestopfte“ zu errichten.

Die Kurz-ÖVP im Spendensumpf

Geradezu humoresk ist die Meinung Wolfgang Hattmannsdorfers, dass seitens von SJ und SPÖ die Kritik von Landes- und Bundesrechnungshof „stur ignoriert“ würde in Hinblick auf die Reaktionen der Kurz-ÖVP zu den millionenschweren Parteispenden der Industrie – Stichwort KTM – sowie zur Überziehung des gesetzlich zulässigen Limits von den ohnehin völlig überhöhten sieben Millionen Euro bei der Wahlwerbung 2017 gleich um 4,42 Mio. Euro die nur eine Bagatellstrafe statt einer Kürzung der Parteienförderung um diese Summe zur Folge hatte.

Geht es nach Hattmannsdorfer und Konsorten soll einem günstigen Angebot für Urlaub und Erholung für Jugendliche, getragen zu einem erheblichen Teil durch ehrenamtliches Engagement der Garaus gemacht werden. Für Landesfürst Thomas Stelzer von der ÖVP und seinen Adlatus zählt nur was profitabel ist. Daher will man auch mit aller Kraft den freien Seezugang beseitigen und das Areal interessierten Investoren zugänglich machen. Statt den freien Seezugang in der Landesverfassung abzusichern und durch Enteignungen oder Ankäufe von Grundstücken den Anteil der frei zugänglichen Seeufer zu erhöhen.

Leo Furtlehners Blog

Kommentare und Gedanken gegen den Zeitgeist.
Von Leo Furtlehner, Landessprecher der KPÖ in Oberösterreich.
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