Anarchistisch, wild und eigenwillig

Ein Buch wie ein Gespräch ■ Ich komm aus der Herzgegend, meine Mutter Sprache ist das Herzklopfen. Ein Blendwerk von Robert Sommer

Achthundertdreiunddreißig Seiten umfasst das Buch, ist somit vielseitig verwendbar und passt, wie der Autor selber meint, in jede City Bag. Achthundertdreiunddreißig sehr persönliche Seiten des ewig rührigen und engagierten Robert Sommer, Journalist und Autor, Aktivist, Mitbegründer von UHUDLA, Augustin, Arena Bar, Aktionsradius und Perinet-Keller.

Erinnerungen, Ideen und Gedanken, verspielte Utopien, Anleitungen zur Revolution mit einer großen Liebe zur Sprache zu Papier gebracht, und als besonderes Schmankerl mit hundert Seiten bunter Collagen im Mittelteil gewürzt. Bunt ist dieses Werk, anarchisch und wild und eigenwillig verspielt.

Das Buch von Robert Sommer ist einfach ganz seines Autors Kind und als solches darum auch schwer zu beschreiben

Es wäre bestimmt besser, es selbst zu lesen, darin zu blättern, vor und zurück. Vielleicht  die Seite 101 zuerst zu lesen, das gesteht nämlich der Autor selbst gerne zu tun. Ein Gespräch ist dieses Buch. Ein literarisches Gespräch mit der Welt und der Geschichte. Robert Sommer zitiert, reflektiert, tritt in Dialog mit KünstlerInnen, Tagesgeschehen, Landschaften, Augustin-VerkäuferInnen und lädt ein zum Weiterspinnen und – träumen.

Textteppiche sind es, über die Robert Sommer selber sagt: Der Textteppich enthält keine zentrale Idee, und also auch keinen Schlüssel-Satz zu dessen Würdigung das Buch, um diesen Satz herum geschrieben worden ist; in Textteppichen braucht man gar nicht beginnen, nach einem solchen Überdrüber-Satz zu suchen. … Der Textteppich ist absurd wie das Leben. Jeder Teppich ist eine Doppelseite lang und enthält keine Absätze oder Zeilenwechsel. Und jeder ist ein eigenes Universum. Da gibt es Geschichten über gescheiterte und über realisierte Projekte, über Bahnreisen, Marx-Engels, es gibt poetische Zwiegespräche mit Friederike Mayröcker und James Joyce, Zitate kommentiert oder mit Verneigungen bedankt, eine Einladung zum Austausch, manchmal ist man beim Lesen geneigt, sich einzumischen und auch noch mal schnell ein Buch zu schreiben.

Der hundert Seiten starke Bildteil in der Mitte mit farbenfrohen Collagen aus dem umfangreichen Fundus der „Pickbücher“ des Autors erweitert die Form, sprengt einmal mehr die Grenzen und wagt sich mit trashigen Bildern in ein neues Terrain, eine Art erfreulich schräges Comic in dem die KPÖ-Parteimarken neben den Punks von der Siebener und der aufgehängten Irmi Tant picken. „Stell dir vor, es ist Krieg, und der Fernseher ist kaputt“ sagt da eine Ölkreidenfigur mit Lockenfrisur.

Es gibt Spiele mit Chören, verschiedene Listen unter anderem die Liste der Wunder die Jesus vollbracht hat, es gibt die Topopoesie verschiedener Landschaften, Dorfnamen rhythmisch gesetzt wie ein Kuhdorf-Rap oder eine Alpen-Ballade, Topopoesie eben.  

Soziale Revolution, das Kollektiv und die Kunst und die Verschränkung der beiden sind zentrale und wiederkehrende Themen

Das Ringen um eine bessere Welt. „Uns gehören der Keller, die Garage und die Nacht” sagt Robert Sommer der Begründer des IODE – im geschichtsträchtigen Wiener Aktionisten-Keller in der Perinetgasse in Wien Brigittenau: „Wir, das Institut ohne direkte Eigenschaften, wollen diesen Keller zeitgenössischen KünstlerInnen und Künstlergruppen zur Verfügung stellen, für die Kunst und Revolution kein Widerspruch ist und die – zusammen mit dem Publikum – die Frage stellen, was Avantgarde heute bedeuten könnte.“

Robert Sommers Leben ist ein aktionistisches Gesamtkunstwerk, und dieses ist sein Buch.

Margot Hruby

Buchbestellungen unter: blendwerk-sommer@gmx.at

 

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