
Krieg & Frieden ■ Ein Interview mit Harald Kujat. Der deutsche General Harald Kujat war einst der ranghöchste Soldat der deutschen Bundeswehr und später Vorsitzender des NATO-Militärauschusses (bis 2005).
Von Jorge Cadima (Avante!, 02.02.2023)
Was er über die unaufhaltsame Eskalation der Waffenlieferungen der NATO an die Ukraine und die damit verbundenen Risiken sagt, ist von Bedeutung.
Ebenso wie von Bedeutung ist, dass dieses Interview in einem wenig bekannten Schweizer Presseorgan (zeitgeschehen-im-fokus.ch, 18.1.23, auf spanisch wiederveröffentlicht in ctxt.es, n° 292) erschienen ist.
Kujat versichert, der Krieg hätte verhindert werden können und verhindert werden müssen
[…]. Eines Tages, vielleicht, wird man sich fragen, wer diesen Krieg wollte, wer ihn nicht verhindern wollte und wer ihn nicht verhindern konnte.“ Er führt weiter aus: „nein, in diesem Krieg geht es nicht um unsere Freiheit. Die wahren Gründe, die zu diesem Krieg geführt haben und dafür sorgen, dass er weitergeführt wird, obwohl er schon seit langem beendet hätte werden können, sind ganz andere.“
Und weiter: „das Ziel [der USA] ist, Russland zu schwächen, sowohl in politischer, wirtschaftlicher wie militärischer Hinsicht; und zwar in dem Maße, dass sie sich danach ihrem wirklichen geopolitischen Gegner zuwenden können, dem einzigen, der in der Lage ist, ihre Überlegenheit als Weltmacht zu gefährden: China.“
Harald Kujat erinnert daran, dass „laut vertrauenswürdigen Informationen der damalige britische Premierminister Boris Johnson in Kiew, am 9. April [2022], interveniert hat, um die Vertragsunterzeichnung zu verhindern [des Vertrags zwischen Russland und der Ukraine, der in Istambul ausgehandelt worden war].“ Und Frage: „Wer hat Nord Stream 2 in die Luft gesprengt?“
Und Kujat erinnert an die „eindeutige“ Aussage von Angela Merkel, die versicherte, „die Vereinbarungen Minsk II [2015] nur ausgehandelt zu haben, um der Ukraine Zeit zu verschaffen. Und die Ukraine hat diese Zeit genutzt, um ihre Streitkräfte aufzubauen. Dies hat auch der französische Präsident Hollande bestätigt.“
Die Vereinbarungen von Minsk sahen vor, dass der von den Kiewer Putschisten angegriffene Donbass weiterhin, mit einem Autonomiestatut versehen, ukrainisches Territorium bleibt. Die Vereinbarungen hatten nicht nur die Zustimmung von Frankreich und Deutschland; sie wurden (einstimmig) in eine Resolution, 2202, des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen transformiert.
Nun sagen Merkel und Hollande, dass dies nicht hätte eingehalten werden sollen. Sie sagen, dass der ewig heuchlerische Imperialismus niemals Frieden und die Verteidigung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine gewollt hätte. Er sprach von Frieden, um den Krieg besser vorbereiten zu können. General Kujat sagt: „Ja, klar, das war eine eindeutige Verletzung internationalen Rechts […]. Schließlich waren wir es, die internationale Verträge brachen.“ So ist das leider immer. Wenn die Verträge nicht mehr zupasskommen, werden sie zerrissen. So wie mit dem Atomabkommen mit dem Iran geschehen, ein Land, das heute Ziel militärischer Angriffe ist. So wie mit den Resolutionen und Abkommen über Palästina, dessen Volk tagtäglich massakriert wird.
Die staatliche Selbständigkeit der Völker ist für imperialistische Weltmächte nicht tolerierbar
Der Imperialismus ändert seinen Charakter nicht, sei es, das er sich als liberal verkleidet, als „sozialdemokratisch“, als „ökologisch“ oder als faschistisch. Er weicht nur zurück, wenn er dazu gezwungen wird.
Deutschlands Ex-Bunderkanzlerin Angela Merkel sagt: „In Wahrheit hat der Kalte Krieg nie wirklich geendet, denn letztendlich wurde Russland niemals befriedet (Corriere della Sera, 27.12.22).” Erstaunlich. War am «Kalten Krieg» nicht der «Kommunismus» und die «sowjetische Bedrohung» schuld?
Jetzt braucht also auch das kapitalistische Russland, das nach dem Ende der UdSSR vom Imperialismus ausgeplündert und beinahe zerstört worden ist, eine «Befriedung». Das ist der Ausdruck, der von allen Kolonisatoren gewählt wird, wenn sie von gewaltsamer Unterwerfung der Völker reden. Mouzinho de Albuquerque hat auch das portugiesische koloniale Imperium «befriedet».
Staatliche Selbständigkeit der Völker ist für sie nicht tolerierbar, gestern so wie heute.
Aus dem Portugiesischen übersetzt:
Bruno
Dir Zeitschrift AVANTE ist eine Wochenzeitung und wird von der Kommunistischen Partei Portugals PCP herausgegeben.