Die Spaltung der Gesellschaft ■ In diesen Zeiten kommt man ihr nicht aus: Nämlich der Phrase, dass sich unsere Gesellschaft nicht spalten lassen dürfe.
Von Franz Stephan Parteder
Fast jeder und jede spricht diesen Satz aus, egal, ob es um den Terror, um die Corona-Krise oder um die Wahlen in den USA geht. Man beschwört den Zusammenhalt und macht uns fast schon persönlich dafür verantwortlich, eine Spaltung der Gesellschaft nicht zuzulassen.
Dabei ist die Spaltung der Gesellschaft nichts, was durch den guten Willen der Menschen zu kitten wäre, sie hat eine Ursache, die in den Leitartikeln und Ansprachen nicht erwähnt werden, weil diese Ursache zu einem gut gehüteten Geheimnis gehört.
Großer Reichtum in den Händen weniger
Machen wir uns auf die Suche nach diesem Geheimnis und beginnen wir mit einer Meldung in den steirischen Tageszeitungen vom 5. November 2020. Dort heißt es: „Erst vor gut zwei Monaten hat die Andritz AG angekündigt, 180 Stellen in Wien und Graz zu streichen, nun vermeldet der Grazer Anlagenbauer eine Verdreifachung des Gewinns in den ersten drei Quartalen des heurigen Corona-Jahres.“ Ähnliches hört man von den großen IT-Konzernen und von den Handelsketten. Die Coronakrise hat die ungleichmäßige Entwicklung der Wirtschaft beschleunigt und manchen Sektoren Riesengewinne beschert.
KPÖ-Klubobmann Manfred Eber hat in seiner Budgetrede im Grazer Gemeinderat darauf hingewiesen: „Bereits vor Corona, im Jahr 2019, gab es die größten Vermögenszuwächse in den reichsten Regionen der Welt. Und auch dort, in diesen reichen Regionen, sind die Einkommen höchst unterschiedlich verteilt. Das reichste Prozent weltweit, Haushalte mit einem Nettovermögen von über 1,2 Millionen Euro, verfügt über 44 Prozent des Gesamtvermögens. Man kann nur erahnen, welch unermesslicher Reichtum sich in den Händen weniger konzentriert. Die erwähnten Ökonomen gehen davon aus, dass die Pandemie diese Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen noch zusätzlich verschärft. Nur ein Beispiel: Dieter Schwarz, Eigentümer der Handelskette Lidl, konnte während der Corona-Pandemie einen Vermögenszuwachs von 300 Millionen Euro verbuchen.“
Der Gewinn von Amazon verdreifachte sich im dritten Quartal des Jahres auf den bisherigen Bestwert von 6,3 Milliarden Dollar. Für das letzte Quartal rechnet der Konzern mit Einnahmen von 112 bis 121 Milliarden Dollar. Der Umsatz von Facebook stieg um 22 Prozent auf 21,2 Milliarden Dollar und brachte einen Gewinn von 7,85 Milliarden Dollar, ein Anstieg von immerhin von 29 Prozent.
Gleichzeitig nützen die großen Konzerne die Krise, um Arbeitsplätze abzubauen, Standorte zu schließen und Löhne und Gehälter zu drücken. Die Fälle Spielberg, MAN-Steyr oder Kendrion-Eibiswald, wo die Arbeitsplätze von hunderten Menschen gestrichen werden, zeigen ganz aktuell, wohin die Reise gehen soll.
Diese Spaltung der Gesellschaft hat eine Ursache: Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Interessen des großen Kapitals Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben.
Gewinner und Verlierer der kapitalistischen Krise
Wo es Gewinner gibt, dort findet man auch Verlierer. Und weil die Zahl der Gewinner so gering ist, gibt es viele Verlierer. So haben 35 Prozent der österreichischen Bankkunden angegeben, dass ihr Einkommen im Jahr 2020 gesunken ist: Massenarbeitslosigkeit und Kurzarbeit bedeuten, dass die Leute weniger Geld zur Verfügung haben. Die Lohnerhöhungen decken nicht einmal die offizielle Inflationsrate ab. Lebensmittel, Wohnen und Artikel des täglichen Lebens werden aber nicht billiger, sondern teurer. Die Coronahilfen der Regierung helfen vor allem dem oberen Drittel der Gesellschaft. Gleichzeitig lehnt man soziale Maßnahmen weiterhin ab: Das Arbeitslosengeld wird nicht langfristig erhöht, ÖVP und FPÖ sehen sich in der Stadt Graz nicht in der Lage, die städtischen Gebühren und Tarife einzufrieren, die Öffis werden Jahr für Jahr teurer.
Das ist kein Schicksal, sondern eine Folge der wichtigsten Spaltung in unserem Gesellschaftssystem. Wer die großen Finanz- und Industriekonzerne besitzt, der kontrolliert auch den Staat und er setzt seine Interessen auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung durch.
Das ist die Ursache von Armut, von Elend und von Verzweiflung und Hass. Das Fehlen einer rational begründeten gesellschaftlichen Alternative zum Ausbeutungs- und Herrschaftssystem des Kapitalismus erzeugt Bewegungen wie den islamistischen Terrorismus, aber auch fremdenfeindliche, ausgrenzende, menschenverachtende Gruppen in Österreich und anderswo. Beide verbindet bei einem genaueren Blick mehr, als sie trennt. Sie beantworten die soziale Frage autoritär und gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung. Es sind Weltbilder, die auf der Ungleichheit von Menschen beruhen. Sie scheinen einfache Antworten auf die Krise zu geben und lenken von den tatsächlich Verantwortlichen für Arbeitslosigkeit, Elend und Krieg ab.
Eigenen Interessen erkennen, Ursachen bekämpfen
Die Herrscher der Welt haben viele Mittel gefunden, um die Mehrheit der Bevölkerung auseinanderzudividieren. Dabei spielt die Bewusstseinsindustrie eine große Rolle. Es ist sehr leicht, die Unzufriedenheit der Leute in Hass gegen Fremde umzufunktionieren.
Wir können die Spaltung der Gesellschaft nur aufheben, wenn wir ihre Ursachen bekämpfen. Dabei dürfen wir keine hilflosen Prediger für den Zusammenhalt von Arm und Reich werden. Deshalb ist es gut, sich daran zu erinnern, wie die Arbeiterbewegung seinerzeit entstanden ist. Zuerst hat man die Ursache der Probleme in den Maschinen gesucht, dann hat man geglaubt, die Ungerechtigkeiten durch Appelle an die Moral der Fabrikbesitzer zu beheben. Es hat lange gebraucht, bis man darauf gekommen ist, dass man seine Interessen nur gemeinsam durchsetzen kann. Aber nur auf diesem Weg ist es möglich, die eigene Lage zu verbessern und die Spaltung der Gesellschaft langfristig zu überwinden.
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