
Portugiesische Verhältnisse ■ Die WählerInnen wollen mehrheitlich, dass in Portugal der alte Regierungschef auch der neue sein wird. Bei den vorgezogenen Wahlen am 30.Jänner 2022 errang die sozialdemokratisch orientierte PS vom António Costa mit 41,7 Prozent der Stimmen.
Von Henrietta Bilawer
117 der 230 Mandate in der Nationalversammlung und verbesserte das Ergebnis von 2019 um nahezu 5,5 Prozentpunkte. Die liberal-konservative PSD konnte zwar ihr Ergebnis von vor drei Jahren um knapp anderthalb Prozentpunkte verbessern, verfehlte aber bei weitem das gesteckte Ziel, Portugal in einem Bündnis von Parteien rechts der Mitte zu regieren.
Dazu beigetragen haben dürften jüngste Äußerungen des PSD-Chefs Rui Rio über eine von ihm favorisierte weitgehende Abschaffung der nationalen Sozialversicherung bzw. seine Zusammenlegung mit privat finanzierten Fonds-Modellen.
Die PS und Ministerpräsident Costa ist nicht mehr auf die Tolerierung kleinerer Links-Parteien angewiesen
Antonio Costas PS hingegen ist nicht mehr auf die Tolerierung kleinerer Links-Parteien angewiesen, die ihm im vergangenen Herbst die Gefolgschaft beim Staatshaushalt für dieses Jahr verweigerten, was die Neuwahlen nötig machte – diese Parteien, der ‘Bloco de Esquerda’ und das Bündnis CDU aus Kommunistischer Partei und Grünen verloren jetzt deutlich. Die Rechtsaußen-Partei Chega (es reicht) kam auf Platz Drei und konnte sich von einem auf jetzt zwölf Parlamentssitze steigern, was Parteichef André Ventura zu der Ankündigung veranlasste, er habe nun „elf Gleichgesinnte um sich, um António Costa überallhin zu verfolgen” – die Diktion erinnert nicht nur zufällig an AfD-Gaulands Wort aus dem Jahr 2017, seine Partei werde die Regierung „jagen”.
Die internationale Presse zeigt sich deutlich interessierter am Ergebnis des portugiesischen Urnenganges als bei früheren Wahlen und konstatierten einhellig, das Ergebnis sei dadurch zu erklären, dass Portugal trotz anfänglicher größter Probleme sowohl gesundheitspolitisch als auch wirtschaftlich im Vergleich mit anderen EU-Ländern sehr gut durch die Pandemie gekommen sei. Der Londoner Guardian folgert, die Mehrheit der PS garantiere politische Stabilität für die kommenden vier Jahre, auch für die Verwaltung der Gelder aus den EU-Fonds für die Bekämpfung der Pandemie-Folgen
Die spanische Zeitung El Pais nannte António Costas absolute Mehrheit “historisch” (es ist der zweite Wahlausgang dieser Art für die PS seit der Nelkenrevolution) und fügte hinzu, die “Wähler haben die kleinen Parteien bestraft, die die alte Regierung zu Fall brachten”. Costa sei ein “unerbittlicher Verhandlungspartner”, der “Puzzles und Optimismus mag”. Auch die französische Le Monde sieht in dem Wahlergebnis einen gelungenen Gegenschlag gegen die anderen Parteien und bezeichnet Costa als den “Einiger” der politischen Landschaft, der nun “freihändig” regieren könne.
Die in Madrid ansässige Zeitung 𝐄𝐥 𝐌𝐮𝐧𝐝𝐨 ergänzt, der Sieg der PS befreie Costa von der Last eine Koalition oder politischen Duldung und gleichzeitig von innerparteilichen Kritikern. Die britische BBC betont, die absolute Mehrheit sei “völlig unerwartet” und beschere Kraft “für die wirtschaftliche Stabilisierung”.
Gleichzeitig sieht die BBC das Erstarken der erst drei Jahre alten Rechtspartei Chega mit Sorge. Die spanische Tageszeitung ABC unterstreicht “das klägliche Scheitern der konservativen PSD bei dem Versuch, António Costa aus dem Regierungsamt zu vertreiben”. PSD-Chef Rui Rio habe es nicht geschafft, sich als glaubwürdige Alternative zu positionieren- La Vanguardia. aus Barcelona sieht in António Costa jemanden, der das Zeug habe, für die PS zur Legende zu werden, denn am Ende der nun beginnenden Amtszeit werde er länger Premierminister gewesen sein als jeder seiner Vorgänger aus der PS.
Betrug, Urkundenfälschung, Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder, lautet ein Gerichtsurteil
Neben den Hauptthema Parlamentswahl ist dabei eine weitere Nachricht in den Hintergrund gerückt, die eigentlich große Aufmerksamkeit verdient: Im Prozess um Amtsmissbrauch, Betrug, Urkundenfälschung, Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder beim zum Teil illegalen Wiederaufbau abgebrannter Häuser nach den verheerenden Waldbränden des Jahre 2017 wurden am 31. Jänner 2022 die Urteile gesprochen: Das Gericht in Leiria verurteilte die Hauptangeklagten Valdemar Alves (ehemals Bürgermeister der Stadt Pedrógão Grande) und dessen Rats-Kollegen Bruno Gomes zu sieben bzw. sechs Jahren Gefängnis.
Ihnen wurde zur Last gelegt, staatliche Fördergelder und entsprechende Baugenehmigungen an Personen (darunter Freunde) umgeleitet zu haben, die damit ihre Ferienwohnungen renovierten, statt wie vorgesehen die Gelder für die abgebrannten 261 Erstwohnsitze und 50 Firmen-Gebäude einzusetzen. In dem Mammut-Prozess waren auch einige dieser Vorteilsnehmer angeklagt. Insgesamt standen 26 Personen vor dem Richter, neben den genannten Politikern wurden zehn weitere Personen zu Bewährungsstrafen und Geldstrafen verurteilt. Insgesamt geht es um die Begleichung von Zivil-Forderungen in bereits abgeschlossenen Verfahren im Gesamtwert von knapp 407.000 Euro.
Ihnen wurde zur Last gelegt, staatliche Fördergelder und entsprechende Baugenehmigungen an Personen (darunter Freunde) umgeleitet zu haben, die damit ihre Ferienwohnungen renovierten, statt wie vorgesehen die Gelder für die abgebrannten 261 Erstwohnsitze und 50 Firmen-Gebäude einzusetzen. In dem Mammut-Prozess waren auch einige dieser Vorteilsnehmer angeklagt. Insgesamt standen 26 Personen vor dem Richter, neben den genannten Politikern wurden zehn weitere Personen zu Bewährungsstrafen und Geldstrafen verurteilt. Insgesamt geht es um die Begleichung von Zivil-Forderungen in bereits abgeschlossenen Verfahren im Gesamtwert von knapp 407.000 Euro.
Bei der Urteilsfindung seien “Anzahl der Verbrechen, die Schwere, der abstrakte Rahmen und die Wiederholung” berücksichtigt worden. Durch die betrügerische Umleitung der Gelder seien nicht nur betroffene Brandopfer geschädigt worden, sondern auch die am stärksten vom Feuer heimgesuchten Gemeinden Castanheira de Pêra und Figueiró dos Vinhos. Deshalb müssten die Verurteilten, abgesehen von der Gefängnis-Strafe, zumindest den von ihnen angerichteten finanziellen Schaden ausgleichen.
Henrietta Bilawer, geboren in Köln BRD. Die Autorin und Journalistin lebt seit 1994 in Portugal.
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