
50 Jahre Nelkenrevolution ■ Die UHUDLA edition und LDFL startet eine „Jubiläumsartikel“ Serie und ein wissenschaftlich, historisches Buchprpojekt über „Die Auseinandersetzungen um die portugiesische Agrarreform 1976 bis 1985. Zur Restaurierung vorrevolutionärer Macht- und Eigentumsverhältnisse am Beispiel der Kooperativen der Agrarreformzone“. Teil XV
Von Martin Leo
5.1 Die Sozialistische Partei (PS)
Das Programm der PS vom Dezember 1974 formulierte unter „2.1 Die Wirtschaft in der sozialistischen Gesellschaft” unter anderem die Notwendigkeit einer „authentischen Agrarreform”1, die die Latifundien auslöschte und die Landwirtschaft „mit starker Hilfe des Staates”2 auf die Grundlage kooperativer Assoziationen stellte, um das Land einer Selbstversorgung mit Lebensmitteln anzunähern. Als Voraussetzung für einen Erfolg war eine „grundlegende Reform der Agrarstrukturen” – für die PS ein Bestandteil der ökonomischen Strategie des „portugiesischen Wegs des Aufbaus des Sozialismus”3 – verlangt worden.
Zu den Zielen der Agrarreform zählte das PS-Programm nicht nur die Erhöhung der Produktion und Produktivitat, die Produktionsdiversifizierung und größere Bodennutzung, sondern „auch und grundlegend die Umwandlung der vorherrschenden Produktionsweise…”4 Produktionsziele und gesellschaftspolitisches Ziel bildeten im Programm noch eine Einheit.
Die Übertragung des Nutzungsrechts („posse útil”) am Boden auf diejenigen, die ihn bearbeiteten, betrachtete die PS als „ersten Schritt”5 bei der Schaffung neuer Produktionsverhältnisse. In den Regionen des Latifundiums war das „durch die Enteignung der großen landwirtschaftlichen Besitztümer und ihre Übergabe entweder an individuelle Bauern oder an Landarbeiterkooperativen”6 zu erreichen. In jedem Falle sollten die „kollektiven Formen der Teilnahme der Arbeiter am produktiven Prozeß”7 stimuliert und entwickelt werden.
Nach Barreto waren die Sozialisten wenigstens bis Oktober oder November 1975 offen für die Enteignungen und für die verschiedenen Formen der Kooperativen und „selbst des Kollektivismus”8 eingetreten. Erst in der Regierung Soares unterschied die PS stärker zwischen Kollektivismus einerseits und Kooperativismus andererseits, den sie nach Barreto „unterstützte”.9
An keiner Stelle beschränkte das Programm seine Enteignungsforderung allein auf die Absentisten. Es bezog im Gegenteil die „großen landwirtschaftlichen Gesellschaften”10, die zu nationalisieren waren, mit ein. „Formal“ hatte nach Ansicht Barretos die PS das radikalste Agrarprogramm von allen Parteien.11 Auch nach dem Verfassungsentwurf, den die PS 1975 vorgelegt hatte, sollte die Agrarreform ein „wichtiges Planungsmittel beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft sein”12
In der PS-Parteiführung hatte sich jedoch schon 1975 „die politisch moderate Praxis über das ideologisch radikale Programm“13 hinweggesetzt
Mário Soares und Salgado Zenha14 waren im Juli 1975 im Ministerrat einer Entscheidung über die Enteignungs- und Nationalisierungsgesetzgebung ausgewichen. Man hatte, wie es offiziell hieß, keine Zeit gefunden, die Projekte zu studieren.15 Soares hatte sich zu dieser Zeit nicht offen zu einer Ablehnung der Gesetze bekannt. Erst Anfang 1976 erklärte er die Reformgesetze in einer „Absetzbewegung“ zum alleinigen Werk von PCP und PPD.16
Wie ambivalent die Haltung der PS zu den Gesetzen von 1975 war, zeigt die Tatsache, dass sie sie im November 1976 wiederum für „geeignete Instrumente“ hielt, um „die Agrarreform zu verwirklichen”17, die das „portugiesische Volk in seiner Verfassung durch seine frei gewählten Repräsentanten”18 angenommen hatte, und dass sie sie im Juli 1977 erneut abwertend als „gonçalvistische Gesetze”19 titulierte.
Anmerkungen:
1 Declaração de princípios. Programa e Estatutos do Partido Socialista. Aprovada no Congresso do P.S. em Dezembro de 1974 (o.O., 1975), S.7
2 Ebenda
3 Ebenda, S.8
4 Ebenda, S.10
5 Ebenda
6 Ebenda, S.11
7 Ebenda, S.12
8 Barreto, a.a.O., S.88. – Nach Rothers Auffassung hatte sich die PS „zeitweise radikaler als der PCP“ gegeben. – Rother, a.a.O., S.98
9 Barreto, a.a.O., S.246
10 Declaração…, a.a.O., S.12
11 Barreto, a.a.O., S.100
12 Rother, a.a.O., S.133
13 Barreto, a.a.O., S.170
14 Zenha gehörte lange Zeit zum Führungskreis um Soares. Im November 1985 trat er aus der PS aus.
15 Vgl. Barreto, a.a.O., S.161 f. – Soares hatte sich erst krank gemeldet und dann erklärt, auf die Diskussion einer derartigen Frage, die jedoch Bestandteil des PS-Programms war, nicht vorbereitet gewesen zu sein. Im Februar 1976 sprach Soares dann von einer „absichtlichen“ Abwesenheit beider Politiker am Tage der Abstimmung im Ministerrat. Dieser Tag war der Nationalfeiertag der USA und beide Sozialisten hatten, wie Zenha später erklärte, US-Botschafter Carlucci besucht. Vgl. Rosa, a.a.O., S.39; vgl. Almada, a.a.O., S.307
16 Vgl. Almada, a.a.O., S.307. – PPD-Minister Magalhães Mota hatte den Gesetzen für seine Partei zugestimmt.
17 PS-Stellungnahme zum Gesetzentwurf des CDS zur Suspendierung der Agrarreformgesetze, zit. nach: Rosa, a.a.O., S.205
18 PS-Stellungnahme, zit. nach: Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.13
19 Salgado Zenha, zit. nach Rosa, a.a.O., S.206. – Anspielung auf Vasco Gonçalves, Ministerpräsident mehrerer Provisorischer Regierungen und der PCP nahe stehend.
Zum Inhaltsverzeichnis des Buches.
[…] Die Agrarreform und die politischen Parteien 5.1 Die Sozialistische Partei (PS) Teil XV 5.2 Die Sozialdemokratische Partei / Volksdemokraten (PPD/ PSD) Teil XVI 5.3 Das […]