Kräfteverhältnisse nach 1975

© Martin Leo

50 Jahre Nelkenrevolution ■ Die UHUDLA edition und LDFL startet eine „Jubiläumsartikel“ Serie und ein wissenschaftlich,  historisches Buchprpojekt über „Die Auseinandersetzungen um die portugiesische Agrarreform 1976 bis 1985. Zur Restaurierung vorrevolutionärer Macht- und Eigentumsverhältnisse am Beispiel der Kooperativen der Agrarreformzone“. Teil VIII

Von Martin Leo

3.1 Das politische Kräfteverhältnis nach dem 25. November 1975

Die Vertreter eines auf die Stärkung kapitalistischer Produktionsverhältnisse gerichteten Agrarreformkonzepts erkannten ebenso wie die sehr wenig zahlreichen „Verteidiger“ des Latifundiums, dass die hier anvisierte Agrarreform zugleich „auch ein politisches Programm und ein Gesellschaftsmodell”1 sein würde.

Dies ergab sich nicht nur aus den Intentionen der Gesetzgeber und der politischen Situation, der die Gesetze ihre Entstehung verdankten, sondern auch aus dem Charakter der sich auf besetzten Böden herausbildenden betrieblichen Organisations- und Eigentumsformen. Ihr Ziel war es daher, die aus der Anwendung der Gesetze resultierenden Gefahren für den agrarkapitalistischen Sektor einzudämmen und den neuen Reformsektor mittelfristig zurückzudrängen und/ oder ihn bürgerlichen Agrarreformvorstellungen anzupassen.

War das Jahr 1976 auch noch stark von parteipolitisch beeinflussten Auseinandersetzungen konkurrierender Modelle revolutionärer Agrarreform geprägt, so ergaben sich daraus bereits für die verschiedenen agrarreformfeindlichen Kräfte günstige Ansatzpunkte, den Reformprozess grundsätzlich in Frage zu stellen.
Das Ergebnis der Ereignisse vom 25. November 19752 war, dass sich das politische Kräfteverhältnis zuungunsten der linken und mit der Agrarreform verbundenen Kräfte verschoben hatte. Die militärische Linke war praktisch ausgeschaltet. Dennoch war mit diesem Datum die Revolution keineswegs „definitiv”3 beendet:

Es war nicht gelungen, auch nur eine einzige der in die private Verfügungsgewalt von Produktionsmitteln eingreifenden „revolutionären Errungenschaften des 25. April” rückgängig zu machen

Die gegenrevolutionären Kräfte hatten auf der politischen Ebene einen Sieg errungen; ihnen drohte aber eine Fortsetzung des revolutionären Prozesses, der sich auf der Grundlage der umgestalteten ökonomischen Machtverhältnisse und der teilweisen Übertragung ökonomischer Macht auf die unmittelbaren Produzenten neu entfalten konnte.4

Diese Tatsache musste die Veränderung und Revision der neugeschaffenen Besitzstrukturen in den Mittelpunkt des Interesses rücken, während die Linke in Portugal umgekehrt mit dem neugeschaffenen nationalisierten Sektor und der Agrarreform die Zukunft der Revolution zu verteidigen suchte.

Dies war im Jahr 1976 die Ausgangslage der Auseinandersetzungen um die Agrarreform.

Zum Inhaltsverzeichnis des Buches.

Anmerkungen:
1 Barreto, a.a.O., S.108
2 Im Vorfeld des 25. November 1975 war es zu zahlreichen Auseinandersetzungen und Kampfaktionen in einzelnen Militäreinheiten gekommen, die mit der Rebellion der Fallschirmjäger von Tancos ihren Höhepunkt erreichten. Die militärische und politische Rechte argumentierte seither, an jenem Tage einem Linksputsch zuvorgekommen zu sein. Vgl. Manuel Duran Clemente, Elementos para a compreensão do 25 de Novembro (Lisboa o.J.}, besonders S.13 ff.; vgl. auch Rother, a.a.O., S.113
3 Optenhögel, a.a.O., S. 281
4 Hinzu kam. dass sich das Bündnis aus demokratischen und rechtsorientierten Militärs, das den 25. November ermöglichte, schnell auflöste und sich nun „gemäßigte“ Offiziere wie Vasco Lourenço, Melo Antunes u.a. einer weiteren Rechtsentwicklung entgegenstellten. Vgl. Álvaro Mateus, Das Bündnis von Kommunisten und Sozialisten, in: Marxistische Blätter, Nr.4, 15.Jg. (1977), S.65 ff. (S.70)

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