Die portugiesische Verfassung und die Agrarreform

© Martin Wachter

50 Jahre Nelkenrevolution ■ Die UHUDLA edition und LDFL startet eine „Jubiläumsartikel“ Serie und ein wissenschaftlich,  historisches Buchprpojekt über „Die Auseinandersetzungen um die portugiesische Agrarreform 1976 bis 1985. Zur Restaurierung vorrevolutionärer Macht- und Eigentumsverhältnisse am Beispiel der Kooperativen der Agrarreformzone“. Teil XIV

Von Martin Leo

4.4 Die Agrarreform und die portugiesische Verfassung

Die Zusammenarbeit von Kommunisten und Sozialisten in der Konstituante102 hatte bereits im November 1975 die Verabschiedung entsprechender Artikel ermöglicht, die zu Bestandteilen jener Verfassung wurden, die am 2. April 1976 von der Verfassungsgebenden Versammlung gegen die 17 Stimmen des CDS angenommen wurde.103

Ihr erster Artikel definierte Portugal als Republik im Übergang in eine Gesellschaft ohne Klassen. Artikel 2 verpflichtete zur „Schaffung von Bedingungen für die demokratische Machtausübung für die arbeitenden Klassen.”104

Innerhalb dieses Projekts einer nichtkapitalistischen Gesellschaft war die Agrarreform „sector essencial”105; Artikel 96 bezeichnete sie als eines der grundlegenden Instrumente des Aufbaus des Sozialismus. Die Veränderung der Bodeneigentumsstrukturen und die fortschreitende Veränderung des Nutzungsrechts am Boden und an Produktionsmitteln zugunsten derjenigen, die den Boden bearbeiten, markierte den ersten Schritt bei der Schaffung neuer Produktionsverhältnisse in einer Landwirtschaft, die die Erhöhung der Produktion und Produktivität und die Angleichung der im Agrarsektor herrschenden sozialen Bedingungen an die übrigen Sektoren ermöglichen sollte.106

Die Verfassung ging von der Existenz von drei Eigentumsformen in der Landwirtschaft aus (agrarkapitalistische Betriebe, Kleinbauernwirtschaften und Kleinbauern- und Landarbeiterkooperativen oder andere kollektive Bewirtschaftungsformen); Artikel 102 privilegierte aber die kleinen und mittleren Bauern sowie die Kooperativen und Kollektivgüter, indem er für sie das Recht auf staatliche Hilfe proklamierte.107

Der grundgesetzlichen Verankerung der Agrarreform, der Nationalisierungen und des Sozialismus-Gebots als ideologischem Kern verdankte die Verfassung, dass sie in erster Linie von der PCP und den linken Sozialisten verteidigt wurde, während die weiter rechts stehenden Kräfte in Theorie und Praxis von ihr abzurücken begannen, obwohl sie sie selbst mit ausgearbeitet und verabschiedet hatten.

Ihre Politik geriet immer stärker in Konflikt mit der Verfassung, die in der Konsequenz schließlich 1982 geändert wurde, aber sie konfligierte wenigstens bei den Sozialisten auch mit ihren eigenen programmatischen Positionen.

Zum Inhaltsverzeichnis des Buches.

Anmerkungen:
103 Vgl. Barreto, a.a.O., S.265
104 Verfassung von 1976, Art. 1, zit. nach: Nunes, a.a.O., S.24 f.
105 António Murteira, A Reforma Agrária e a CEE, in: Agricultura. Portugal e o Mercado Comum. Conferência do PCP. Porto, 31 de Maio de 1980 (Lisboa 1980), S.90 ff. (S.92)
106 Vgl. Comissão (Hg.)…, a.a.O., S.38
107 Vgl. Nunes, a.a.O., S.26

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