Die Verfechter des Privateigentums

Zwei Parteien „gegen” die Agrarreform

50 Jahre Nelkenrevolution ■ Die UHUDLA edition und LDFL startet eine „Jubiläumsartikel“ Serie und ein wissenschaftlich,  historisches Buchprpojekt über „Die Auseinandersetzungen um die portugiesische Agrarreform 1976 bis 1985. Zur Restaurierung vorrevolutionärer Macht- und Eigentumsverhältnisse am Beispiel der Kooperativen der Agrarreformzone“. Teil XVI  & Teil XVII

Von Martin Leo

5.2 Die Sozialdemokratische Partei / Volksdemokraten (PPD/ PSD)

Die PPD/PSD, die 1975 ebenfalls für Sozialismus eingetreten war, ging von der Notwendigkeit einer „Restrukturierung des Bodens”20 aus. Unter ihrem Mitbegründer und Vorsitzenden Sá Carneiro, einem ehemaligen Abgeordneten der faschistischen Nationalversammlung und konservativ-liberalen Kritiker des Caetano-Regimes21, wurde aus der PPD rasch eine „antimarxistische Partei”, die „im wirtschaftlichen Bereich grundsätzlich marktwirtschaftliche Ideen”22 vertrat. Im Frühjahr 1976 zog sie ihre Zustimmung zu den Agrarreformgesetzen des Sommers 1975 offiziell zurück und verlangte deren Revision.23

Die PPD versprach im Wahlkampf, die Latifundien zwar weiterhin enteignen, aber sie Familienbetrieben und „wahren Kooperativen”24 übergeben zu wollen.

In einem Interview hatte Sá Carneiro erklärt, dass Agrarreform für ihn nicht „Kollektivierung der Böden, sondern nützliche Bewirtschaftung des Bodens“ bedeutete. Den Staat forderte er auf, „das Privateigentum an Boden“ zu respektieren und seine „übermäßige Konzentration und schlechte Nutzung”25 zu bekämpfen. Für den Fall eines Wahlsiegs wurden die Privatisierung „kleiner und mittlerer Betriebe”26 und die Rücknahme des Enteignungsgesetze angekündigt.

Was die PPD vertrat, war eine kapitalistische Agrarreformvariante. Daher kritisierten ihre Politiker auch bereits im März und April 1976, d.h. wenige Wochen nach Unterzeichnung der Parteienplattform, die 50.000-Punktegrenze der Agrarreformgesetzgebung.

Die PSD-Argumente nahmen einen Teil der von Barreto (PS) 1977 gemachten Einwände vorweg: Das Punktebewertungssystem des Enteignungsgesetzes bestrafte nach Auffassung Sá Carneiros gerade diejenigen, die alles getan hatten, um den Boden produktiver zu machen27, denn realisierte Bodenwertverbesserungen erhöhten die Zahl der Bodenwertpunkte, was ab 50.000 Punkten zur Enteignung führte.

5.3 Das Demokratisch-Soziale Zentrum (CDS)

Diese Kritik teilte auch das CDS, das ebenfalls den Begriff „Agrarreform” benutzte, aber politisch und sozial am engsten gerade mit jenen Besitzstrukturen verbunden war, die die portugiesische Agrarreform zu beseitigen trachtete. Es war die Partei der Industrie und der großen Landwirte.

Sie besaß beträchtlichen Einfluss im Industriellenverband (CIP) und im CAP28; es war das Sammelbecken eines Teils der Machtelite des „Estado Novo“.

Das CDS bekannte sich zum Eigentumsrecht als zu einem Naturrecht, das auf der „ontologischen und theologischen Priorität der einzelnen Menschen gegenüber der Gesellschaft”29 beruhte.

Anstatt zu einer „Proletarisierung“ zu führen, sollte die Agrarreform des CDS aus jedem Arbeiter einen Besitzer machen, der sein Recht zum Vorteil gemeinsamen Wohls nutzte.

Diese neuen Besitzbauern hätten allerdings ihre Eignung erst drei Jahre unter Beweis stellen müssen, bevor das CDS bereit gewesen wäre, ihnen endgültig Land zu überlassen.30

Wenn das CDS das Latifundium auch nicht offen verteidigte, sondern ebenfalls im Namen der Agrarreform sprach, so war es doch der erbittertste Gegner des Kollektivsektors. Es beklagte, dass man mit der Agrarreform schon vor Konstituierung der Verfassungsgebenden Versammlung im Frühjahr 1975 begonnen hatte.31 Es verlangte folglich schon Ende 1976 die Suspendierung der entsprechenden Gesetze.32 Dem war freilich noch kein Erfolg beschieden, denn die Situation war, wie Cardoso bemerkt, „noch nicht reif, es war nicht der opportune Moment. Das Kräfteverhältnis war nicht günstig für eine solche Entscheidung.”33

Gesellschaftliche Verbündete im Alentejo, wo das CDS erst Anfang 1976 organisatorisch Fuß fassen konnte34, waren der CAP, der in der Absicht, die Differenzen in der PS zu vertiefen, Cardoso stets heftig attackiert und Soares gleichzeitig „unterstützt”35 hatte, und Teile der katholischen Kirche, die in einer Erklärung der Erzdiözese Évora vom 17. Januar 1976 die „wilden Besetzungen” als „am Rande des Gesetzes” und „im Dienste spekulativer Parteiinteressen”36 stehend verurteilt hatte.

Zum Inhaltsverzeichnis des Buches.

Anmerkungen:
20 Barreto, a.a.O., S.164
21 Er hatte im Februar 1973 aus Protest sein Mandat niedergelegt. Auch die PPD-Führer M.Mota und Pinto Balsemão gehörten zur Gruppe der liberalen Technokraten des Estado Novo. Vgl.Passos, a.a.O., S.38
22 Herzog, a.a.O., S.446
23 Vgl. Barreto, a.a.O., S.166 f.
24 Zit. nach: Barreto, a.a.O., S.167
25 Sá Carneiro, interviewt vom Portugiesischen Rundfunk RDP, zit. nach: Almada, a.a.O., S.336 f.
26 Zit. nach: Almada, a.a.O., S.347
27 Vgl. Almada, a.a.O., S.332; S.344
28 Vgl. Herzog, a.a.O., S.448
29 Stellungnahme des Sekretariats für Agrarpolitik des CDS, a.a.O.
30 Vgl. Barreto, a.a.O., S.167
31 Vgl. Stellungnahme des Sekretariats für Agrarpolitik des CDS, a.a.O
32 Im November hatte das CDS einen Gesetzentwurf zur Suspendierung der Agrarreformgesetze vorgelegt, der mit 126 Stimmen (PS, PCP, UDP) gegen 81 Stimmen (CDS, PSD) zurückgewiesen wurde. Vgl. Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.12; vgl. Rosa, a.a.O., S.205
33 Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.12
34 Vgl. Barreto, a.a.O., S.114. – Das CDS veranstaltete erst im März sein erstes Treffen in Évora. Vgl. Almada, a.a.O., S.236
35 Vgl. Almada, a.a.O., S.317; vgl. Cardoso, Cadernos…, a.a.O., S.53
36 Moção do clero da arquidiocese de Évora, Janeiro de 1976, zit. nach: Barreto, a.a.O., S.187. – Zur Haltung des Episkopats vgl. auch Acácio Ferreira Catarino, Cristãos face à Reforma Agrária: “materialismo” cristão em perspectiva?, in: Economia e Socialismo, Nr. 38 (1979), S.3 ff. (S.16)

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