
50 Jahre Nelkenrevolution ■ Die UHUDLA edition und LDFL startet eine „Jubiläumsartikel“ Serie und ein wissenschaftlich, historisches Buchprpojekt über „Die Auseinandersetzungen um die portugiesische Agrarreform 1976 bis 1985. Zur Restaurierung vorrevolutionärer Macht- und Eigentumsverhältnisse am Beispiel der Kooperativen der Agrarreformzone“. Teil XVIII
Von Martin Leo
Die Kommunistische Partei Portugal PCP war nicht nur aktiver Teilnehmer der Auseinandersetzungen um den Agrarreformprozeß, sondern wegen ihrer Verankerung unter den Landarbeitern der Latifundienzone zugleich auch selbst Gegenstand dieser Auseinandersetzungen.
5.4 Die Kommunistische Partei (PCP)
Kritiker der PCP, die sich mit der Agrarreform verbunden fühlten, neigten oft dazu, den von der PCP selbst behaupteten kommunistischen Anteil an Landbesetzungen und Kollektivgütergründungen37 zu relativieren oder überhaupt in Abrede zu stellen, während Gegner der Agrarreform diesen Anteil überdimensioniert erscheinen ließen, um der Gegenreform eine Legitimitätsgrundlage zu verschaffen.38
Beide Sichtweisen erfassten jedoch nur Teilwahrheiten, da sich der kommunistische Einfluss nicht widerspruchsfrei durchsetzte und organisatorisch autonomes Handeln der Landarbeiterbewegung keinen starren Gegensatz zu ihrer kommunistischen ideologischen Lenkung darzustellen brauchte. Beide Sichtweisen ließen weitgehend unberücksichtigt, dass es für Agrarreform und Landbesetzungen nicht nur subjektive, sondern auch objektive Voraussetzungen gab.
Zu den objektiven und von den Kommunisten gänzlich unbeeinflussbaren Bedingungen zählte die Realität der Latifundienwirtschaft, die Unterdrückung und Elend produzierte und ein Entwicklungshemmnis darstellte.
Nur auf dieser objektiven, von sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen gebildeten Grundlage konnten auch die subjektiven, von der PCP beeinflussbaren und seit Jahrzehnten beeinflussten Voraussetzungen für die Landbesetzungen entstehen.
Seit 1954 hatten die Landarbeiter unter der Losung „Den Boden denjenigen, die ihn bearbeiten”39 gekämpft. Die PCP, die nach 1974 die einzige Partei war, die auf eine bis in die I. Republik zurückreichende Geschichte verweisen konnte, hatte im Alentejo vom Mai 1947 bis in die 19sechziger Jahre ihre illegale Zeitung „O Camponês” (Der Bauer) und andere Publikationen verbreitet.40
Sie benutzte erstmals 1947 den Begriff Agrarreform, worunter sie zunächst die Aufteilung der Latifundien an Landarbeiter, Kleinbauern und Kleinpächter verstand.41 Wenn Eisfeld feststellt, die PCP sei in der Tradition des Widerstands „fest eingebettet” gewesen und habe sich als glaubwürdig erwiesen, „weil ihre Funktionäre die persönlichen Opfer der Landarbeiterschaft über Jahrzehnte”42 geteilt hatten, dann lagen die Anfänge dieser Tradition in jenen Jahren.
Dabei beeinflusste die PCP einerseits zwar die Landarbeiterkämpfe um Arbeit, Arbeitszeitverkürzung und Löhne durch ihre organisatorische Unterstützung und durch die Artikulierung und Vereinheitlichung politischer und sozialer Forderungen, andererseits entwickelte sie ihrerseits unter dem Einfluss dieser Bewegung mit „anarchosysndikalistischer Grundtradition”43 ihre Agrarreformprogrammatik weiter bis zu jenem Programm von 196544, in dem sie der individuellen Bodennutzung im Süden schließlich eine Absage erteilte und ihre Konzeption auch geographisch spezifizierte, d.h. den unterschiedlichen Bedingungen im Norden und Süden stärker Rechnung trug.45 Aber auch die dort entwickelten Vorstellungen von Bauernkooperativen und Staatsgütern46 sollten schließlich 1974/75 unter dem Einfluss der Bewegung modifiziert werden.
Die PCP nahm die alentejanische Landarbeiterkultur in sich auf und wirkte auf sie zurück. „Der Kommunismus ist im Alentejo eine kulturelle Tatsache, und als kultureller Fakt war er Ausdruck eines tiefen Gleichheitsgefühls”, meint Pereira. „Dieses Gefühl durchtränkte auf eine kollektive Weise das Leben vieler Männer und Frauen, von ganzen Dörfern. Der Beitritt zur Partei war hier keine in einer feindlichen Umwelt realisierte Option, sondern das Ergebnis einer Tradition, der man sich anschloss, weil nur sie einem brutalen Leben etwas Hoffnung und Sinn gab.”47
Als 1974 durch Arbeitslosigkeit, Wirtschaftssabotage der Grundbesitzer48 und politische Radikalisierung als Folge der Märzeignisse 197549 die politischen Bedingungen für die Landbesetzungen herangereift waren, bedurfte es nicht der „physischen” Anwesenheit der PCP, um die Okkupationen durchzuführen. Und trotzdem waren die Besetzungen auch keine spontanen Aktionen. Sie bereiteten sich vor in den Diskussionen innerhalb der Landarbeitergewerkschaft und der Arbeiterkommissionen der einzelnen Landgüter.50
Mochte die Rolle dieser stark kommunistisch beeinflussten Landarbeitergewerkschaft auch „entscheidend”51 gewesen sein im Prozess der Bodenbesetzung, so war das mit ihrer Hilfe realisierte Ziel der Bewegung doch keineswegs von außen aufgedrängt worden, sondern entsprach der Mentalität und Bereitschaft der Arbeiter und der Dynamik ihrer Bewußtseinsentwicklung nach dem 25. April 1974.
Enteignungen hatten spätestens seit 1918 zu den Forderungen des alentejanischen Landproletariats gehört52; Landbesetzungen und Ansätze zu kooperativen und kollektiven Produktionsformen hatte es bereits 1912 in den Gemeinden Vera Cruz und Amieira und 1918 in Vale de Santiago im Kreis Odemira gegeben.53 Die Kämpfe um Arbeit und Lohn während der Diktatur bedeuteten eine „systemangepaßte Einschränkung und Akzentuierung latent viel weitergehender Anliegen der Landarbeiter”54, die mit der Revolution Raum für ihre Verwirklichung fanden.
Die Suche nach einer minimalen Beschäftigungsgarantie war unmittelbare Ursache der ersten Besetzungen; Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung waren die großen Beschleuniger der Bewe-gung.55 Die PCP als „Bestandteil der alentejanischen Kultur”56 war der hauptsächliche Förderer der nach der Revolution neuentstandenen Landarbeitergewerkschaften57; sie identifizierte sich mit der Agrarreform und den Kollektiveinheiten und ein großer Teil der Arbeiter identifizierte sich mit ihr.58
Ihr Beitrag zum Agrarreformprozess war gewiss grundlegend, die Ursache dieses Prozesses war die PCP jedoch nicht.
Zum Inhaltsverzeichnis des Buches.
[…] / Volksdemokraten (PPD/ PSD) Teil XVI 5.3 Das Demokratisch-Soziale Zentrum (CDS) Teil XVII 5.4 Die Kommunistische Partei (PCP) Teil […]