Schlechte Zeiten für einen sozialistischen „Bauernstaat”

© PCP. Flugblatt PCP gegen Regierung Cavaco Silva

50 Jahre Nelkenrevolution ■ Die UHUDLA edition und LDFL startet eine „Jubiläumsartikel“ Serie und ein wissenschaftlich,  historisches Buchprpojekt über „Die Auseinandersetzungen um die portugiesische Agrarreform 1976 bis 1985. Zur Restaurierung vorrevolutionärer Macht- und Eigentumsverhältnisse am Beispiel der Kooperativen der Agrarreformzone“. Teil XX

Von Martin Leo

6.2 Das „lei-Barreto” und die Wandlung der politischen Philosophie.

Zum Kernstück der legislativen Wendepolitik wurde im Sommer 1977 das nach dem Landwirtschaftsminister benannte „lei-Barreto”, dessen offizielle Bezeichnung „Gesetz der Allgemeinen Grundlagen der Agrarreform” (lei 77/77)55 lautete und das die Agrarreformgesetze des Sommers 1975 endgültig ablöste.

Nachdem mit der Parteienplattform die Agrarreform auf die ZIRA begrenzt worden war, wurde nun die Dominanz des kollektiven Sektors auch innerhalb der Agrarreformzone in Frage gestellt.

Barreto war Gegner einer „Agrarreform mit sozialistischem Vorzeichen”56

Seine Agrarreformkonzeption orientierte auf die Schaffung eines „modernisierenden Agrarkapitalismus”57 durch die Förderung mittelgroßer landwirtschaftlicher Privatbetriebe.

Gestützt auf eine Übereinkunft der PS-Spitze mit der PSD58 und begleitet von freundlichen Kormmentaren des CAP, der Barreto „eine interessante Politik der Annäherung an die Realitäten”59 bescheinigte, wurde das Gesetz, nach den Worten des CDS-Führers Lucas Pires „eine Kriegserklärung an die Kommunisten”60, am 10. August 1977 mit der Mehrheit von Sozialisten und Sozialdemokraten verabschiedet.

Außer der PCP stimmten auch drei Sozialisten – Lopes Cardoso, Brás Pinto und Vital Rodrigues61 – gegen das Gesetz. Für Brás Pinto, Agraringenieur und Kooperant der Kooperative von Zambujal im Kreis Palmela, brachte das Gesetz eine „radikale Wandlung der politischen Philosophie”62 und die Aufgabe der antikapitalistischen Aspekte der alten Agrarreformgesetze.

Nach Lopes Cardosos Einschätzung ging es um die Schaffung eines „legalen Apparates”63, um die Auslieferung des Alentejo an die Arbeiter zu verhindern. Er kritisierte die PS, weil sie dem Projekt der PCP keine Alternative entgegenzusetzen wusste, sondern eine Politik verfolgte, die sie stets verbal verurteilt hatte, nun aber in der Praxis übernahm: Sie bediente sich der Agrarreform als Instrument für ihr eigenes politisches Projekt, das aber nicht mehr das eines auf freier und realer Selbstverwaltung beruhenden Sozialismus war, sondern nach Cardosos Auffassung auf Wiedereroberung und Konsolidierung einer kapitalistischen Gesellschaft ab-zielte.64

Der PS-Abgeordnete Jaime Gama hatte das „lei-Barreto” in einen betont antikommunistischen Zusammenhang gestellt. Seine Parlamentsrede gegen den „latifundistischen Kommunismus„ enthielt unter anderem auch ein Bündnisangebot an die Parteien rechts der PS:

„Die Sozialistische Partei hat wiederholt bestätigt, dass sie nicht das Monopol des Kampfes gegen den Gonçalvismus besitzt… Die Annahme des Gesetzes über die ‘Allgemeinen Grundlagen der Agrarreform’ ist eine der letzten Etappen dieses Kampfes…”65

Zu den ökonomischen Aspekten dieses Kampfes zählte die Absicht, durch Förderung kapitalintensiver kapitalistischer Betriebe zur Intensivierung, Diversifizierung und Modernisierung der Landwirtschaft beizutragen, um auf dieser Grundlage Produktion und Produktivität zu erhöhen. An diesen Zielvorgaben – politische Überwindung des PCP-Einflusses, ökonomische Überwindung landwirtschaftlicher Rückständigkeit – sollten sich die späteren Auswirkungen des Gesetzes messen lassen.

Den in den Artikeln 22-49 festgelegten Einschränkungen der Enteignungsmöglichkeiten und Ausweitungen des Reserverechts kam zentrale Bedeutung zu. Enteignungsfähig war nach „decreto-lei” 406-A/75 der Grundbesitz von Einzelpersonen, kollektiven Personen oder Gesellschaften, der in seiner Gesamtheit 50.000 Punkte überstieg. Im neuen und bis heute gültigen Gesetz wurden die Worte „in ihrer Gesamtheit” („no seu conjunto”) gestrichen, was bedeutete, dass Grundbesitz außerhalb der ZIRA nicht mehr mitberücksichtigt wurde.

Darüber hinaus ließ es im Unklaren, ob wenigstens die in der ZIRA liegenden Grundstücke eines Besitzers in ihrer Gesamtheit zu betrachten waren oder nicht.66

Ausgenommen von Enteignungen waren nicht nur Vereinigungen und Stiftungen, die sich von der Regierung anerkannten kulturellen oder sozialen Aktivitäten widmeten, sondern auch „kooperative landwirtschaftliche Gesellschaften”. Damit wurde Grundbesitzern der Weg gewiesen, dem Gesetz zu entgehen.

Waren auch unter Cardoso Enteignungen „autonomer Landwirte” unabhängig von der Punktbewertung verboten, erweiterte Barreto das Verbot durch Neudefinition dieses „agricultor autónomo”: Bei Cardoso war das der Bauer, der sein Land ausschließlich selbst oder mit familiären Arbeitskräften, dem sogenannten „agregado familiar”, bewirtschaftete. Barreto machte aus diesem „agregado familiar”das „agregado doméstico”, was bedeutete, dass nun auch diejenigen autonome Bauern waren, die „Hausangestellte” beschäftigten.
Wie im Enteignungsgesetz ungültig waren nur noch diejenigen zwischen dem 25. April 1974 und dem 29. Juli 1975 abgeschlossenen Verträge, die die Verringerung enteignungsfähiger Flächen zum Ziel hatten. Dass dieses Ziel verfolgt wurde, war in der Praxis jedoch nicht zu beweisen. Es reichte nach Rosa aus, wenn der Agrarier behauptete, Geld benötigt zu haben.

Grundstücke von mehr als zwei Hektar Größe konnten enteignet oder zwangsverpachtet werden, wenn sie länger als drei Jahre ohne technisch gerechtfertigten Grund brachgelegen hatten. Die Anwendung dieser „Kann„-Bestimmung kam nur dann in Betracht, wenn nach Benachrichtigung des Besitzers ein weiteres Brachjahr vergangen war.

Diese Maßnahmen bewirkten eine beträchtliche Dezimierung enteignungsfähiger Fläche

Artikel 25 des „lei-Barreto” bestimmte, dass jedem von Enteignung Betroffenen, also auch ehemaligen „Wirtschaftssaboteuren„, Absentisten und Gesellschaften, das Recht auf eine Reserve zustand, die nach Artikel 27 mindestens 35.000 Punkte zählen musste. Wer selbst eine Fläche von wenigstens 70.000 Bodenwertpunkten in den zwei der Enteignung vorangegangenen Jahren bewirtschaftet hatte, durfte eine Reserve von 70.000 Punkten beanspruchen, wenn er sie auch weiterhin direkt bewirtschaftete67. Nach Artikel 26,5 konnten auch diejenigen eine 70.000 Punktereserve beanspruchen, die – wie es im Gesetz wörtlich hieß – „gezwungen” („compelidos”) worden waren, ihr Land an eine UCP zu verpachten beziehungsweise ihr die Nutzung zu überlassen.

Damit wurden Grundeigentümer prämiiert, die ihr Land 1974 nicht in angemessener Weise bewirtschaftet beziehungsweise aufgegeben hatten und Kooperanten bestraft, die das Land für die Produktion nutzten.68 Die Heraufsetzung der Grenze von 50.000 auf 70.000 Punkte stellte mehr dar als nur eine einfache Erhöhung um 20000 Bodenwertpunkte:

Das „lei-Barreto„ hatte die Kritik des CAP, der PSD, des CDS und von Teilen der PS berücksichtigt und den Berechnungsmodus, der den Bodenwertpunkten bisher zugrunde gelegen hatte, wesentlich verändert.69 Nicht mitgezählt wurden nach Artikel 31 die Betriebsverbesserungen („benfeitorias„), das heißt „all das, was dem Boden den Wert”70 gab und seinen Ertrag erhöhte. Umfasste ein Olivenhain von 70.000 Punkten nach dem alten Gesetz etwa 80 ha, waren es nach dem neuen Gesetz 300 Hektar.71

Barretos Erklärung schien auf den ersten Blick einleuchtend: Zählten Investitionen, Verbesserungen, Wein- und Obstpflanzungen als Punkte wie im Gesetz von 1975 mit, so wurden die Absentisten oder jene, die niemals investiert hatten, begünstigt. Ihr Eigentum wurde mit weniger als 50.000 Punkten bewertet, während der engagierte Landwirt auf gleicher Fläche und gleichem Boden bestraft wurde, da er die Grenze überschritten hatte.72

An dieser Argumentation wurde deutlich, was Agrarreform für Barreto bedeutete:

Sein Ziel war Modernisierung und Produktionssteigerung, nicht aber Umwandlung der Produktionsverhältnisse durch die Unterdrückung des auf Lohnarbeit beruhenden kapitalistischen Betriebs, wie es Verfassung und auch Parteiprogramm der PS forderten. Sein Maßstab war die „soziale Funktion des Bodens„, wie Cardoso bemerkt. Nur wer sie nicht respektierte, sollte bestraft werden.73 Diese Sichtweise stellte zwar das Latifundium in Frage, nicht aber die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse.

Die grundsätzliche Kritik an den existierenden Produktionsverhältnissen, wie sie in den Agrarreformgesetzen und in der Verfassung enthalten war, ließ das Problem der durch Enteignung „bestraften„ Investitionen nämlich in einem anderen Licht erscheinen: Danach waren die von Barreto ins Feld geführten Investitionen „nichts anderes als die Kapitalisierung des von den Landarbeitern produzierten Mehrwerts”74 unter den bekannten Bedingungen, die das alte Regime den Agrariern ge-boten hatte, wenn sie ihre Herkunft nicht sogar öffentlichen Geldern verdankt hatten, die den Agrariern bevorzugt gewährt worden waren.75

Es liegt auf der Hand, dass durch die Punktbewertung Barretos, die praktisch nur noch die Fläche berücksichtigte, einerseits das enteignungsfähige Land drastisch reduziert wurde und andererseits die „reservatários” ein Vielfaches an Fläche gewannen. Nach Cardoso entsprach die neue 35.000 – Punktemindestreserve, die im Grunde jedem zustand, etwa der alten Höchstgrenze von 50.000 Punkten.76 Den neuen Produktionseinheiten konnten also durch die neue Punktdefinition erheblich größere Flächen genommen werden. Maßgebend für die Punktbewertung waren die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzes geltenden Grundbucheintragungen.

War im ursprünglichen Gesetzesvorschlag noch von einer Aktualisierung dieser zum Teil jahrzehntealten Eintragungen die Rede, so wurde diese Idee nach Protesten des CAP im endgültigen Text des „lei-Barreto” nicht noch einmal aufgegriffen. Der CAP hatte darauf hingewiesen, dass ein Hektar „nackten Bodens„ in einer bestimmten Region nach dem alten Grundbuch beispielsweise mit nur 520 Punkten bewertet worden war, während er nach einer Aktualisierung 2400 Punkte gezählt hätte.77

Barreto wollte mit der Erweiterung des Anspruchs auf Vorbehaltsland dem Privatsektor nicht nur „das Überleben” erlauben, sondern ihm auch „die notwendigen Mittel für seine Entwicklung und seinen Wohlstand”78 sichern. Es ging ihm um eine grundlegende Verbesserung der Konkurrenzbedingungen des privaten Sektors gegenüber den neuen Produktionseinheiten. Daher beschränkte sich die nach dem Gesetz mögliche Reservenvergabe auch keineswegs auf die 70.000 Punkte.

Nach Artikel 28 konnten sich die Vorbehaltsflächen aus diversen Gründen erhöhen, und zwar um 10% aus technischen Gründen; um 20% aus Rücksicht auf die Fruchtfolge; um 20%, wenn es sich um Ergänzungsland zu den Bodengüteklassen A, B und C handelte und um weitere 10% für jedes Haushaltsmitglied („agregado doméstico”) über vier Personen, wenn alle überwiegend von der Landwirtschaft lebten. Die von Aktiengesellschaften beanspruchten Reserven konnten gar um achtzig Prozent vergrößert werden, wenn sie das Land direkt nutzten.79

Nach Ansicht Rosas konnten auf diese Weise 180.000 Bodenwertpunkte erreicht werden.80

Ein Grund dafür, dass Artikel 29 als tatsächliche Maximalfläche für Reserven auf Böden der Güteklasse A und B 350 ha bestimmte und für die schlechtesten Böden 700 ha als Limit vorsah. Beides lag weit über den Durchschnittsflächen, die sich ergeben hätten, wären 70.000 Bodenwertpunkte die wirkliche Höchstgrenze gewesen.81

Im Unterschied zur alten Gesetzgebung konnten nach Artikel 32 auch Mitbesitzer und Familienangehörige eine eigene Reserve beantragen. Die Einschränkungen, die hier gemacht wurden, betrafen nach Einschätzung Rosas nur eine Minderheit der „reservatários”.82

Artikel 65 des Barreto-Gesetzes ermöglichte die Überprüfung und Revision von auf Basis des „decreto-lei” 406-A/75 vollzogenen Enteignungen, wenn die Flächen nach dem neuen Gesetz nicht mehr enteignungsfähig waren. Außerdem konnten auf Antrag, der binnen 45 Tagen zu stellen war, bereits eingetragene Reserven entsprechend den neuen Bestimmungen erweitert werden.83

Zu den größten Ungerechtigkeiten, die das „lei 77/77„ sanktionierte,„ervatários„. Artikel 35 gestattete es ihnen, die Reserve dort eintragen zu lassen wo der ehemalige Besitzer selbst oder der Verfügungsberechtigte („possuidor”), das heißt die UCP, Investitionen getätigt hatten. Zwar sollte es Entschädigungen geben können, tat-sächlich leistete aber nur die II.Konstitutionelle Regierung (PS/CDS) Kompensationszahlungen.84

Auf Wunsch des Anspruchsberechtigten konnte die Reserve auch das ehemalige Wohnhaus und dessen Umgebung oder andere Einrichtungen einschließen. Die ehemaligen Großgrundbesitzer wurden in die Lage versetzt, sich die fruchtbarsten Böden mit dem höchsten Produktionspotential anzueignen.85 Zählten die „benfeitorias„ auch bei der Bodenbewertung nicht mehr mit, bei der Wahl des Reservelandes gaben sie allemal den Ausschlag.

Nach Artikel 30 hatten die alten und neuen Grundbesitzer sechs Jahre Zeit, um die Reserve tatsächlich landwirtschaftlich zu nutzen. Haushalte („agregado doméstico”) von mehr als vier Personen brauchten das Land jedoch überhaupt nicht zu bearbeiten, wenn eines seiner Mitglieder bereits einen anderen Landwirtschaftsbetrieb direkt nutzte.86

Im Unterschied zu den Agrarreformgesetzen 1975 und 1976 konnten nach Artikel 36 Reserven auch dann übergeben werden, wenn die Abtrennung von Land den Bestand einer Kooperative oder UCP ernsthaft gefährdete oder sie gar zerstörte. Reserven nur dann zu übergeben, wenn Kooperativen nicht gefährdet würden, hieß nach Barreto, „praktisch in keinem Fall Reserven zuzuteilen”.87

Was mit den Arbeitskräften geschehen sollte, die auf dem Vorbehaltsland Beschäftigung gefunden hatten, regelte Artikel 36. Danach brauchte der „reservatário” nur einen Teil derjenigen Arbeiter zu übernehmen, die dort am 1. Januar 1975 ständig beschäftigt waren.

Was das konkret hieß, veranschaulicht Rosa: Auf der UCP „1. de Maio” in Avis waren im Januar 1975 92 Permanente beschäftigt gegenüber 550 im August 1977. In der „Cooperativa de Casebres” betrug das Verhältnis 39 zu 235; in der UCP „12 de Maio” in Montargil 137 zu 856; in der „Cooperativa 2 de Outubro„ in Vale de Açor 24 zu 320 usw.88 Eine Freisetzung von Arbeitskräften war nicht nur erwartet, sondern auch erwünscht worden.89 Sie entsprach der Strategie von Soares, Barreto und Portas, die Zahl der in der Landwirtschaft Aktiven zu verringern, um auf diese Weise die Produktivität zu erhöhen.90

Notwendig aber war nicht in erster Linie eine Erhöhung der Produktivität pro Arbeitskraft, wie eine 1977 auf Bitten der Regierung in Portugal weilende ILO-Untersuchungskommission unterstrich, son-dern die Erhöhung der Bodenproduktivität.91

Aus diesem Grunde vertraten die ILO-Experten auch einen der Regierungspraxis völlig entgegengesetzten Standpunkt. Sie verlangten die Ausweitung der kultivierten Flächen, Bewässerungsmaßnahmen und, mit Blick auf die Substitution von Importen, den Anbau neuer Kulturen sowie eine starke Steigerung der Investitionen. Vor allen Dingen aber plädierten sie für eine Beschleunigung des Enteignungsprozesses, um nach dessen Abschluss den Sektor befrieden und die Landwirtschaft gesunden lassen zu können.92

Im Gegensatz zu den alten Grundeigentümern, die Reserven erhielten und damit im Grunde beliebig verfahren konnten, waren die UCP/ CA’s durch das Barreto-Gesetz einem strengen Regime unterworfen worden.

Ausgerechnet die Sozialisten, die die Selbstverwaltung der Betriebe durch die arbeitenden Menschen propagiert und dazu beigetragen hatten, diese Forderung in die Verfassung aufzunehmen, unternahmen nun den Versuch, die Selbstverwaltungsbetriebe staatlicher Vormundschaft zu unterstellen. Artikel 7 definierte die UCP’s als „Assoziation von Landarbeitern”, die „durch eigenen Entschluss die Zusammenarbeit des Staats bei der jeweiligen Betriebsführung akzeptiert.”93

Ausschließlich UCP/CA’s und auf enteigneten Böden wirtschaftende Kleinbauern hatten nach Artikel 4 Bodennutzungsrichtlinien zu befolgen, deren Missachtung zum Entzug des Nutzungsrechts führen konnte. Da nicht offengelegt worden war, welche Kriterien diesen Richtlinien zugrunde lagen, konnte schon eine „zu hohe„ Arbeitskräftezahl einen Verstoß darstellen. Dies zu entscheiden oblag allein der Regierung; die von der Verfassung geforderte Teilnahme der Arbeiter war nicht vorgesehen.94

Nach unverbindlicher Anhörung der Landarbeiter und ihrer Organisationen konnte das MAP auch über die Größe der auf enteigneten oder nationalisierten Böden etablierten Betriebe entscheiden. Es stand der Regierung frei, über Teilung oder Zerstörung der Einheiten zu befinden.95

In der Tat konnte das Gesetz Barretos „zu einer de-facto-Verstaatlichung der neuen genossenschaftlichen Produktionseinheiten benutzt werden.”96

Die Kommunisten hatten von ihrer Staatsgüter-Konzeption 1974/75 Abstand nehmen müssen

Die Landarbeiter hatten anders entschieden, so war nun unter anderen Vorzeichen und von einer sozialistischen Minderheitsregierung, die nach Optenhögel eine „neoliberale Wirtschaftspolitik”97 betrieb, ein anderer, neuer Versuch unternommen worden, Staatsgüter zu etablieren. Diese staatliche „Umarmung” verstand sich als Reaktion auf die von Barreto angeführte „totale Aneignung eines guten Teils des nationalen Territoriums durch parteiliche Kräfte…”98 und beabsichtigte daher auch die Wiederherstellung des staatlichen Machtmonopols.

Zum Inhaltsverzeichnis des Buches.

Anmerkungen:
55 Wortlaut und Kommentar bei Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.33 ff.
56 Jüngst /Jülich, a.a.O., S.136
57 Vester, Die sanfte Revolution…, a.a.O., S.89
58 Vgl. Rother, a.a.O., S.63 f.
59 Confederação dos Agricultores de Portugal (Hg.): CAP – Recortes de uma luta (Viseu 1977), S.171 ; zit. nach: Eisfeld, a.a.O., S.163
60 Zit. nach: Rosa, a.a.O., S.69
61 Alle drei traten am 8.November 1977 aus der PS aus.
62 Zit. nach Rosa, a.a.O., S.215
63 Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.31
64 Vgl. ebenda
65 Zit. nach: Rosa, a.a.O., S.194
66 Vgl. hierzu und im Folgenden Eugénio Rosa, O Fracasso da Política de Direita. 16 meses de governo PS (Lisboa 1978), S.30 ff.
67 Vgl. Arbeitsgruppe (Hg.), a.a.O., S.128
68 Vgl. ebenda, S.138
69 Henrique de Barros hatte bereits im Januar 1976 eine entsprechende Gesetzesänderung gefordert. Vgl. Baptista, Lei 77/ 77…, a.a.O., S.5
70 Rosa, Fracasso PS…, a.a.O., S.39
71 Vgl. ebenda
72 Vgl. Barreto, a.a.O., S.249
73 Vgl. Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.73 f.
74 Ebenda, S.74
75 Vgl. ebenda
76 Vgl. ebenda, S.76
77 Vgl. Rosa, Fracasso PS…, a.a.O., S.40 f.
78 Rede vor dem Parlament, zit. nach: Arbeitsgruppe (Hg.), a.a.O., S.133
79 Vgl. ebenda, S.128
80 Vgl. Rosa, Fracasso PS…, a.a.O., S.38
81 Vgl. Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.66
82 Vgl. Rosa, Fracasso PS…, a.a.O., S.44 f.
83 Vgl. Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.21 f.
84 Vgl. Bandarra / Jazra, a.a.O., S.80
85 Vgl. Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.21 f.
86 Vgl. Arbeitsgruppe (Hg.), a.a.O., S.129
87 Zit. nach: Rosa, Fracasso PS…, a.a.O., S.50
88 Vgl. ebenda, S.51
89 “Es wird notwendig sein, dass es uns gelingt, in den nächsten 15 Jahren den Prozentsatz der in der Landwirtschaft Aktiven auf die Hälfte zu senken.” António Barreto in „Diário Popular” vom 19.7. 1977, zit. nach: Rosa, a.a.O., S.191
90 Vgl. ebenda,
91 Vgl. ebenda, S.171 ff.
92 Vgl. ebenda, S.178; vgl. Rother, a.a.O., S.191 ff.
93 Lei 77/77, Art. 73.3.6., zit. nach: Cardoso, Nova lei…, a.a.O., S.123
94 Vgl. Arbeitsgruppe (Hg.), a.a.O., S.126
95 Vgl. Rosa, Fracasso PS…, a.a.O., S.36
96 Jüngst / Jülich, a.a.O., S.176
97 Optenhögel, a.a.O., S.8
98 António Barreto, zit. nach: Arbeitsgruppe (Hg.), a.a.O., S.131

Ein Gedanke zu “Schlechte Zeiten für einen sozialistischen „Bauernstaat”

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