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Im Gemeindebau, 23 Geschichten ■ Eine Hommage an den kommunalen Wohnbau in Wien Die Autoren Uwe Mauch, Franz Zauner und der Fotograf Mario Lang palavern über ihr neues Buch und ihre leidenschaftliche Beziehung zum Wiener Gemeindebau.

Im Promedia-Verlag ist das Buch „Im Gemeindebau, 23 Geschichten aus Wien“ erschienen. Der UHUDLA hat keine Kosten und Mühen gescheut und die Urheber des Machwerks zur Rede gestellt.

Der Gemeindebau ist ein Panoptikum menschlicher Möglichkeiten, die sich unvermutet auftun und gut ergänzen

UHUDLA: Warum habt ihr dieses Buch eigentlich gemacht?
Franz Zauner: Unser Buch ist eine Hommage an den kommunalen Wohnbau. Immerhin wohnen 500.000 Menschen in Wien im Gemeindebau. Was dabei vielleicht hilfreich war: Der Uwe und ich sind selbst Kinder des Gemeindebaus, der Uwe wohnt noch immer dort.
Uwe Mauch: Wir wollten festhalten, dass die Mikro-Welten in den Wiener Gemeindebauten bei Weitem nicht so brutal, trostlos und exotisch sind wie Krawallpolitiker und Krawalljournalisten gerne behaupten. Es lebt sich bei uns aber auch nicht so sorgenfrei, wie uns der Bürgermeister, der Wohnbaustadtrat und die große Rathaus-PR-Maschine weismachen wollen.

UHUDLA: Um was geht es konkret in eurem Buch?
Franz Zauner: Wir erzählen im Buch 23 Geschichten über MieterInnen, die in einem Hof und auf einer Stiege zu Hause sind. Unser buntes Menschenmosaik reicht von einer Jungarchitektin im Rabenhof bis zu einem Junghistoriker im Karl-Marx-Hof, einem Sänger des 1. Wiener Gemeindebauchors bis zu einem weltweit verehrten Jazzmusiker, einer gestandenen Wiener Hausmeisterin im Matteotti-Hof bis zu einer aufmerksamen Mieterbeirätin am Roten Berg in Hietzing, einem bosnisch-stämmigen Kabarettisten bis zu einem ukrainisch-stämmigen Karaokesänger, einer Vorturnerin mit Migrationserfahrungen in Favoriten bis zu einer Rose im Gemeindebau in Floridsdorf.
Es ist ein Panoptikum menschlicher Möglichkeiten, die sich unvermutet auftun und sich ganz gut ergänzen.

UHUDLA: Mario, du hast acht der 23 Porträtierten besucht, um sie zu fotografieren. Was fandest du dabei besonders bemerkenswert?
Mario Lang: Gemeindebauten gibt es in allen Wiener Bezirken, vom Zentrum bis an den Rand. Die Unterschiedlichkeit hat mich beeindruckt, von einer Art Reihenhaus bis hin zu den bekannten Burgen. Gemeindewohnung und Dach-Atelier schließen sich nicht aus. Und natürlich auch die Diversität der Menschen die drinn’ wohnen. Persönlich finde ich die Burgen sehr romantisch, zum Beispiel den Rabenhof im dritten Bezirk.

Eine Wohnung in einem Haus kann und soll mehr sein als nur ein Container zum Schlafen und Essen

UHUDLA: Und du Franz?
Franz Zauner: Wohnen im Ge­meindebau ist immer noch ein Echo der ursprünglichen Idee: Dass eine Wohnung in einem Haus mehr sein kann als ein Container zum Schlafen und Essen. Es mag den Terror der Intimität geben, aber es gibt auch Kontakt, Sichtbarkeit, Empathie im Gemeindebau. Das wurde mir immer wieder berichtet.
Im Vergleich zu meiner Kindheit sind die Gemeindebauten freilich stiller geworden, weil es weniger Kinder gibt, die vorhandenen eher von mehr oder weniger kindgerechter Elektronik verschluckt werden und deshalb die Kinderspielplätze oft gespenstisch leer sind. Und die Konflikte, die es gab und gibt, haben sich eher in die Häuser selbst zurückgezogen. Am meisten wird über Lärm geklagt.

Ist euer Buch repräsentativ für die BewohnerInnen des Gemeindebaus?
Uwe Mauch: Auf keinen Fall! Wir haben bewusst solche BewohnerInnen aufgesucht, die sich auch im Klaren sind, dass sozialer Wohnbau Charme hat und Chancen bietet. Uns ist bewusst, dass auch ganz andere Menschen im Gemeindebau zu Hause sind. Wenn ich meine Wohnung verlasse und auf der Straße zwei Menschen treffe, kann ich mir ausrechnen, welche Partei sie gewählt haben, denn ich wohne dort, wo Wien früher dunkelrot und heute am dunkelblausten ist.
Doch das war nicht unser Thema. Wir wollten vielmehr zeigen, dass es einen Grund hat, warum ArchitektInnen, StadtplanerInnen und andere Interessierte aus der ganzen Welt nach Wien kommen, um den kommunalen Wohnbau zu studieren.

UHUDLA: Warum hat der Gemeindebau dennoch so ein schlechtes Image in Wien?
Mario Lang: Wegen der Raubersgschichten aus Print, Funk und Fernsehen. Dazu fällt mir eine treffende Danzer-Textzeile ein: «I glaub alles was in der Zeitung steht …» In diesem Sinne.
Franz Zauner: Vielleicht spiegelt sich darin auch das mangelnde Zutrauen in die Tatsache, dass politische und soziale Lösungen möglich sind. Immerhin ist der Gemeindebau ein international bewundertes Modell, mit der man einst die Wohnungsnot in den Griff bekam. Und in Zeiten explodierender Mieten scheint kommunaler Wohnbau weiterhin eine gute Idee zu sein. Man muss sie aber dennoch erklären. Allerdings ist Solidarität in unserer Zeit ein zartes Pflänzchen in einem rauen, neoliberalen Klima.
Uwe Mauch: Man muss auch sagen, dass sich die Sozialdemokratie mehr und mehr aus ihren ehemaligen Hochburgen zurückgezogen hat. Menschlich durchaus verständlich, weil viele MandatarInnen einen beruflichen Aufstieg geschafft haben. Aber politisch natürlich eine Katastrophe. Denn an ihre Stelle ist jetzt jene Partei getreten, die vorgibt, für die kleinen Leute da zu sein, in Wahrheit aber Neid und Missgunst schürt und daraus ihr größtes politisches Kapital schöpft.

In Wien Neubau ist normalerweise bei den derzeitigen Mietpreisen nicht einmal ein Abstellraum leistbar

UHUDLA: Was müsste man tun, um das Image des Gemeindebaus wieder zu verbessern?
Franz Zauner: Ich glaube, die Zeiten ändern sich gerade in eine Richtung, die Alternativen wieder denkbarer erscheinen lässt. Und der Gemeindebau ist eine Alternative zum privaten Wohnungsmarkt. Es würde genügen, politisch ernsthaft und hartnäckig darüber zu reden. Die Eigentumswohnung für jeden ist eine politische Illusion.
Mario Lang: Selber denken und nicht alles glauben was uns vorgesetzt wird.

UHUDLA: Uwe, du wohnst seit einem halben Jahrhundert im Gemeindebau. Wann ziehst du aus?
Uwe Mauch: Man sollte niemals nie sagen. Aber bis auf weiteres sicherlich nicht. Mein Bau wurde zu einer Zeit errichtet, als es einen Mangel an Baumaterialien gab. Deshalb sind auch die Wände eine Katastrophe. In den 1950er-Jahren durften aber ArchitektInnen auch Grünflächen in ihre Wohnbau Pläne einzeichnen. Das ist ja heute so gut wie verboten.
Deshalb schauen die Menschen in den neuen Wohnungen nicht mehr auf Bäume, wenn sie aus dem Fenster schauen, sondern in erster Linie auf Asphalt und Beton. Mit den Jahrzehnten haben sich die kleinen Bäume mitunter zu kleinen Wäldern ausgewachsen. Besucher, die weder Transdanubien noch Gemeindebauten kennen, geraten angesichts der Biotope ins Staunen und wundern sich was es hinter den Fassaden der Bauten alles gibt.

UHUDLA: Und was schätzt ihr beiden besonders am Gemeindebau?
Mario Lang: Ich wohne in keinem klassischen Gemeindebau, ich wohne in einem von der Gemeinde renovierten Altbau in Neubau. Im 7. Wiener Gemeindebezirk könnte ich mir normalerweise, bei den derzeitigen Mietpreisen, nicht einmal einen Abstellraum leisten.
Franz Zauner: Ich mag am Gemeindebau, dass es ihn gibt. Bei meinen Streifzügen und Besuchen habe ich mich in diesen oft weitläufigen städtischen Wohngehäusen sofort wieder heimisch gefühlt.
Mein Gemeindebau hat mir in meiner Kindheit gar nicht so wenig Glück geschenkt. Da war Grün, da waren Freunde, da waren Menschen, die aufeinander geschaut haben. Manchmal ein bisschen zu sehr, aber es war auch eine feine Schule im Umgang mit Konflikten.

Der Kampf um die verlorene
Ehre des kommunalen Wohnbaus

In Wien leben über 500.000 Menschen im Gemeindebau; jeder vierte bzw. jede vierte BewohnerIn der österreichischen Hauptstadt ist in kommunalen Wohnungen zu Hause. Die Wahrnehmung darüber ist sehr unterschiedlich: Während internationale ExpertInnen aus Stadtentwicklung, Architektur, Politik und Urbanistik den Wiener Gemeindebau, der auf eine fast 100-jährige Tradition zurückblickt, als Leuchtturm-Modell beschreiben, schwankt die Bewertung in Wien selbst zwischen Naserümpfen und Verächtlichmachung.
Die beiden Wiener Journalisten Uwe Mauch und Franz Zauner kämpfen mit diesem Buch um die verlorene Ehre des kommunalen Wohnbaus. Das Autorenduo hat MieterInnen besucht und interessante, außergewöhnliche und ergreifende Geschichten in Erfahrung gebracht. Keine schwere Übung für die Journalisten, denn zum einen sind die beiden Kinder des GemeindebauGemeindebaus, kennen also das bewohnte Umfeld aus eigener Erfahrung. Zum anderen ist der Pool der Menschen, die im Gemeindebau Tür an Tür wohnen, schier unerschöpflich.

Mauch Uwe / Zauner Franz:
Im Gemeindebau
23 Geschichten aus Wien
Mit Fotografien von Mario Lang
Promedia 2017
ISBN: 978-3-85371-430-0
240 Seiten, Preis 19,90 Euro

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