Esel, Banken und Politik

© Henrietta Bilawer. Wandmalerei, Halle des Bauermarkts in Lagos.

25. April 1974 Die portugiesische Nelkenrevolution wird heute 47 Jahre alt. Eine ihrer politischen Folgen war die Verstaatlichung der Banken, die später rückgängig gemacht wurde.

Ein Rückblick von Henrietta Bilawer

Vier Jungen kauften bei einem Bauern einen Esel für hundert Euro. Als sie das Tier am folgenden Tag abholen wollten, sagte der Bauer ihnen, der Esel habe das Zeitliche gesegnet …

… Das Geld könne er auch nicht zurückgeben, er habe es ausgegeben. Die vier bestanden auf die Herausgabe des toten Huftiers und erklärten, sich das verlorene Geld anderweitig wiederzubeschaffen, und zwar indem sie den Esel verlosen würden, ohne dabei zu verraten, das er nicht mehr lebe.

Wenig später traf der Landmann das Quartett und fragte nach der Verlosung. Fünfhundert Lose zu je zwei Euro hatten sie verkauft, mithin tausend Euro eingenommen, so berichteten sie. Ob sich denn niemand beschwert habe über den offensichtlichen Betrug, fragte der Bauer und erhielt die Antwort: „Doch. Der Sieger hat protestiert. Wir haben ihm seine zwei Euro zurückerstattet.“

Die Anekdote kursierte nach der Finanzkrise Ende der 2000er Jahre als Sinnbild des portugiesischen Finanzwesens. Und das blickt auf eine wechselvolle Geschichte. Sie begann mit der Schaffung einer Staatsbank: Die ‘Banco de Portugal’ entstand im Jahre 1846 durch königliches Dekret als Aktiengesellschaft. 45 Jahre später erhielt sie das alleinige Recht auf die Banknoten-Emission, die sie zuvor mit anderen Geldinstituten teilte.

Nach nationalen und internationalen Wirtschaftskrisen wurde die Bank 1931 faktisch an Weisungen der Regierung gebunden und war für die Finanzierung des Staates zuständig. Das blieb die ‘Banco de Portugal’, bis sie nach der Nelkenrevolution 1974 als erstes Geldinstitut nationalisiert wurde. Andere Banken wurden erst im folgenden Jahr Eigentum der Republik Portugal.

Vor der Nelkenrevolution sei „das Bankenwesen einem einfachen Prinzip gefolgt“, schreibt der Autor und Journalist Miguel Sousa Tavares: „Jede hochgestellte Familie, die eng mit dem Salazar-Regime verbunden war, besaß ihre eigene Bank.“ Nach der Revolution erhielt die ‘Banco de Portugal’ eine Satzung, die erstmals im Lande einer Bank die Kontroll-Funktion über alle anderen Finanz-Institute zuwies.

Die Nelkenrevolution brachte zudem die Verstaatlichung der Schlüsselindustrie: Öl, Stahl, Elektrizität, Transport und Versicherungen. Die Regierung sicherte sich über einen Staatsfonds auch an vielen Kleinbetrieben einen Mehrheitsanteil. Bei der Agrarreform wurde eine geschätzte Million Hektar Land, das Großgrundbesitzern gehörte, enteignet und an Kooperativen verteilt. Schließlich wurden alle Banken nationalisiert, die ausschließlich Portugiesen gehörten. Das „Bankwesen im Dienste des Volkes“, so ein Motto aus der Revolutionszeit, präsentierte sich den Bürgern in Gestalt von „mürrischen, schlecht gekleideten Genossen, die uns am Schalter abfertigten, als täten sie uns einen gewaltigen Gefallen“, so Tavares, der die Revolution als 22-jähriger Jurastudent erlebte.

Die Verstaatlichung der Banken stellte die junge Demokratie bald vor schwere Probleme, da sie so viele Bereiche der Wirtschaft kontrollierten, dass gut zwei Drittel des portugiesischen Bruttosozialprodukts direkt oder indirekt unter Regierungs-Kontrolle standen. Im Wahlkampf für das Präsidentenamt 1980 kam es darüber zum offenen Konflikt: Die konservative Regierung des Premierministers Francisco de Sá Carneiro wollte, anders als der zur Wiederwahl stehende, von verschiedenen Parteien unterstützte Präsident António Ramalho Eanes, zahlreiche Entwicklungen der Nelkenrevolution rückgängig machen, darunter auch die Verstaatlichungen. Sie hatten bewirkt, dass ausländische Investoren sich aus Portugal zurückzogen und das Land den Anschluss an die Weltwirtschaft verlor.

1989 schließlich kam es zu Verfassungs-Änderungen: Klauseln, die die Endgültigkeit der Verstaatlichungen festschrieben, wurden aufgehoben. In der Folge wurden viele Industrien und Banken reprivatisiert. Auch die Staatsbank wurde reformiert und näherte sich in Aufgaben, Struktur und Geldpolitik den übrigen europäischen Zentralbanken an. In der Folge habe das portugiesische Bankwesen sich so modernisiert und international konkurrenzfähig entwickelt, dass „der Sektor Anlass zu Stolz sein sollte und nicht zu Kritik“, so der Wirtschafts-Journalist Pedro Santos Guerreiro.

Die Wirtschaftskrise der Jahre nach 2008, die Folgeentwicklung in den USA und Pleiten der portugiesischen Banken BPP und BPN (letztere wurde Ende 2008 verstaatlicht) hatten Nationalisierungen wieder zum politischen Thema gemacht. José Brandão de Brito, inzwischen emeritierter Professor an der Lissabonner Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung (ISEG), warnte: Eine Verstaatlichung von Pleitebanken sei eine „Belohnung für die Arroganz derer, die sich durch die Verletzlichkeit der Märkte bereichern wollten“. Es sei „unglaublich ungerecht, wenn Steuerzahler für das bezahlen, was in den Führungsetagen der Banken betrügerisch verursacht wurde“, so Brandão de Brito.

Die Pleitebank BPN hinterließ insgesamt 1,8 Milliarden Euro Schulden und nicht, wie vor der Nationalisierung errechnet, 700 Millionen. Manuel Meira Fernandes, Autor eines Buches über die Bankenkrise („Zu viel Staat, zu wenig Aufsicht“) konstatierte, „die Wirtschaftsprüfer haben ihre Arbeit schlampig erledigt oder waren nicht unabhängig“, wie es das Gesetz über Verstaatlichungen vorschreibt. Bei den seither erfolgten europaweiten Stresstests der Banken (zuletzt Anfang dieses Jahres) erwiesen sich die portugiesischen Banken stets als stabil.

Die eingangs zitierte Geschichte um den toten Esel hat übrigens eine Fortsetzung: „Die vier Jungs sind inzwischen erwachsen. Einer hat eine Bank gegründet, der andere eine große Firma, der dritte eine Religions-Gemeinschaft und der vierte ist Chef einer politischen Partei”.

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