Schwere Kritik am Ischgl-Fiasko

Virus

Rasches Handeln verabsäumt ■ Die Mitschuld von Günther Platter, Sebastian Kurz und Karl Nehammer am Verlauf der Epidemie. In der Tageszeitung „Standard” wurden die Modellierungen der TU Wien zur Corona-Fallzahl je nach Zeitpunkt des Shutdowns dargestellt. Wäre der Shutdown drei Tage früher erfolgt, wären 4.000 ÖsterreicherInnen nicht infiziert und bei einer Todesrate von 3 bis 4 Prozent hundert Menschen noch am Leben.

Von Rudi Karazman

Seit 5.März 2020 warnte Island die österreichische Regierung vor dem Hochrisiko-Gebiet in Tirol. („profil” am 15. März)

 
Uber die Mitschuld der handelnden ÖVP-Eliten in Wien und Tirol am Verlauf der Krise

„Die Faktenlage spricht schon länger für ein rundum verkorkstes Corona-Krisenmanagement im Land Tirol: Vom Virenherd Ischgl aus infizierten sich mindestens 1.670 Österreicher, über 11.000 Menschen in ganz Europa – und noch Zigtausende mehr, die das Virus vom beliebten Skiort in 45 Länder auf fünf Kontinenten trugen.Ein Grund für dieses Desaster: Die Tiroler Behörden handelten nicht nur zu spät, sie missachteten in Ischgl auch die klaren Vorgaben eines Erlasses des Gesundheitsministeriums, der „profil” vorliegt. Kontaktpersonen von Infizierten wurden nicht in Quarantäne geschickt, obwohl das schon Anfang März dezidiert vorgeschrieben war. Doch auch die Bundesregierung stufte Ischgl erst sehr spät als Risikogebiet ein – mit gravierenden Folgen.

Vom ersten Corona-Fall in Ischgl erfuhren die Behörden in Tirol bekanntlich bereits am 5. März 2020 durch eine Warnung aus Island. Die entscheidende Frage ist nun, wie das Land Tirol und die für Ischgl zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck auf diese Warnungen konkret reagierten. Haben sie „in der jeweiligen Situation das Menschenmögliche getan“, wie Landeshauptmann Günther Platter beteuert?
 
Wurde „alles richtig” gemacht am Anfang der Krise – Die Antwort darauf lautet: nein

Bereits eine Woche vor der Warnung aus Island, am Vormittag des 29. Februar 2020 verschickte das Gesundheitsministerium in Wien den ersten Corona-Erlass direkt an die Büros der Landeshauptleute. Betreff: „Behördliche Vorgangsweise bei Kontaktpersonen.“ Die Vorgaben waren eindeutig, alle von der Wochenzeitschrift „profil” kontaktierten Bezirkshauptmannschaften hielten sich daran. Nur nicht das Land Tirol und die Bezirkshauptmannschaft in Landeck.

Ganz kann sich die Bundesregierung allerdings nicht an Land Tirol abputzen. Zwar leitete das Gesundheitsministerium die Warnungen aus Island unverzüglich an Tirol weiter. Doch drei Tage später gingen im Ministerium weitere warnende Mails zu Tirol aus Dänemark und Norwegen ein. Hätte Ischgl aufgrund dieser Auffälligkeit nicht zur Chefsache erklärt werden müssen? Das Gesundheitsministerium verweist auf den SKKM-Krisenstab (Staatliches Krisen- und Katastrophenschutz-Management) im Innenministerium. „profil” liegen sämtliche Morgen-Briefings des SKKM-Krisenstabs vor.

Sie legen nahe, dass es im Krisenstab lange kein Bewusstsein für den Virenherd Ischgl gab. Nach heutigem Wissensstand reagierte der Bund zu spät: Alle österreichischen Ischgl-Urlauber, die vor dem 13. März mit Symptomen zurückkamen, wurden nach damaliger Teststrategie nicht als Verdachtsfälle gewertet – und nicht getestet. Dabei urlaubten etwa 5.000 Österreicher in der ersten Märzhälfte im Bezirk Landeck. Viele von ihnen schleppten das Virus unbemerkt in ihre Heimatbundesländer. Dass in der Causa Ischgl Fehler passiert sind, geht in den SKKM-Briefings nur aus der Zusammenfassung der medialen Berichterstattung hervor. Am 18. März 2020 steht unter dem Punkt Öffentlichkeitsarbeit: „Schwere Kritik an Ischgl-Fiasko.“

Kanzler Sebastian Kurz wollte sich den Showeffekt der Verkündung nicht nehmen lassen

Der Standard schrieb über den Hintergrund der Verspätung der Quarantäne für Ischgl: Es wurden in den Tagen vor dem 13. März 200 klar, dass eine Quarantäne rund um Ischgl notwendig ist. Experten rund um Gesundheitsminister Rudi Anschober schlugen vor, die dortigen Behörden einzubinden, damit sie sich gut vorbereiten können. Kanzler Sebastian Kurz lehnte das ab. Laut „Standard“ wollte er sich den Showeffekt der Verkündung nicht nehmen lassen. Es folgten das Chaos bei der Abreise der Gäste und die Corona-Verstreuung durch die Hotel-Suche der unvorbereitet vertriebenen Gäste in Innsbruck. Und dann weiters am Flughafen und in den Flugzeugen.

Es ist so beschämend, dass Menschen aus politischen Gründen fahrlässig infiziert und geopfert wurden für eine handvoll Euros und eine High Noon-Show. Das ist die Mitschuld der ÖVP-Eliten in Tirol und Wien.

Und diese schwarze Polit-„Elite“ rund um Karl Nehammer, Sebastian Kurz, Susanne Raab und Co versucht bei jeder Gelegenheit die Politik in der Bundeshauptstadt Wien anzupatzen und mit falschen Behauptungen zu diskreditieren. Frei nach dem System Donald Trump. Die Verantwortlichen Stadt-PolitikerInnen in Wien haben niemand leichtsinnig geopfert, sondern als Großstadt haben die Wienerinnen und Wiener und ihre Regierung es sehr gut gemacht.

Es braucht Konsequenzen gegenüber Sebastian Kurz und Landeshauptmann Günther Platter, beispielsweise einen U-Ausschuss.

Prof. Dr. Rudolf Karazman, ist Facharzt für Psychiatrie & Neurologie, Psychotherapeut, Arzt für Arbeitsmedizin und IBG-Gründer. Er ist Jahrgang 1955, entstammt einer burgenländisch-kroatischen Bauernfamilie aus Nikitsch, schrieb mehrere Bücher. Der vielseitige Wissenschafter hat ein Faible für Musik. Er spielte in den Anfangsjahren der „Drahdiwaberl” bei Kapellmeister Stefan Weber Saxophon und der Politkult-Band „Bolschoi Beat”.

Kommentar verfassen