Der arbeitende Mensch zuerst

Wurzeln und Wiege ■ Wissenschaft ist immer subjektiv. Sie wurzelt in der Biografie der wissenschaftlich arbeitenden Person. Die Lebens- und Erfahrungsgeschichte fließt ebenso mit ein wie die Psychodynamik dieser Person, deren Motive, und Kränkungen.

Von Arbeitsmediziner Rudolf Karazman, UHUDLA-Redaktion und Gründer von IBG

Der Wunsch aufzudecken, zur Verbesserung beizutragen hat auch darin seine Wurzeln. Meine Herkunft oder Genese ist im burgenländisch-kroatischen Dorf Nikitsch/Filež verankert.

Für Rudolf Karazman ist das Dorf der Ausgangspunkt der wissenschaftlichen und methodischen Grundlagen von IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement.

Im mittelburgenländischen Nikitsch an der ungarischen Grenze gingen schon zu meiner Zeit fast alle ins Gymnasium. Auch in den anderen kroatischen Dörfern.

Wir waren nicht Kinder der Ära Kreisky, das war viel später, sondern der Ära Mütter. Manchmal auch der Ära Väter.

Unsere Eltern waren Bauern, Bedienerinnen oder Bauarbeiter. Sie selbst hatten wenig Volksschule, denn in der Kriegszeit diente die Schule den Armeen. Schwerstarbeit, lange Arbeitszeiten, bei jedem Wetter am Feld oder im Graben, lange Wegzeiten, karger Lohn, Diskriminierung als „Gscherter“, erst recht als Kroate. Aus Kränkungen wurden Krankheiten und aus Krankheiten wurde Tod.

Mein Vater starb mit 45, mein Onkel Mathe mit 44, mein Onkel Stefan mit 47, mein Onkel zweiten, dritten Grades, Bekannte vierten Grades. Zwischen 10 und 16 war ich Dauergast am Friedhof in Nikitsch. Die meisten waren Bauarbeiter in Wien, Pendler, die sonntags mit der Bahn in schlimme Baracken nach Wien fuhren. Die „Ziegelbehm“ sind keine historische Erinnerung, sondern war ihre Daseins-Form und ist sie heute für Spargelarbeiter und Pflegepersonen. Zusätzlich der Antislawismus seit der Monarchie. Bis heute. Dümmste

PR-Kampagnen kamen Anfang der 70er Jahre auf. I haß Kolaric, Du haßt Kolaric. Warum sogns Tschusch zu Dir?

Auch der eine Kolaric wollte kein Tschusch mehr sein, so schlecht wurden Menschen mit kroatischen oder serbischen oder was-weiß-ich-für-Wurzeln behandelt. Arbeitsmedizin und Arbeitspsychiatrie waren mein Anliegen. Ich organisierte Teach-Ins zum Thema, wo meist mehr am Podium saßen als im Publikum.

Später gründete ich Forschungsgruppen und begann mit einer Vorlesung zu „Psychischen Erkrankungen und Arbeitswelt“. Und dann gründete ich die Initiative „Der Mensch zuerst – Spitalpersonal gegen Ausländerfeindlichkeit“ – ein antirassistisches Stresspräventionsprogramm. Und daraus entwickelte sich IBG mit einer Vielfalt an großartigen Menschen.

Rudolf Karazman aktuelles Buch:
„Nikitsch/Filež – leben und lieben an der Grenze (Verlag Lex Liszt 12) befasst sich mit dem Dorfleben der kroatischen und anderen Volksgruppen und mit dem 100 Jahre alten Burgenland. Es wird von zwei CDs mit burgenländisch-kroatischen Liebes- und Begräbnisliedern begleitet, die das Schönste untermauern, was diese kleine Volksgruppe hervorbrachte und immer noch bringt

Mehr Infos über IBG:
human works Zeitung für nachhaltiges Arbeitsvermögen  1. Ausgabe 2021

Kommentar verfassen