Totgesagte leben länger

© KPÖ Graz

Marx & Engels 175 Jahre Manifest der Kommunistischen Partei. Im Februar 1848 veröffentlichte Karl & Fritz ihr epochales Manifest als Grundlage für eine revolutionäre kommunistische Veränderung der Gesellschaft.

Redebeitrag von Robert Krotzer am Karl-Marx-Kongress der KPÖ Steiermark, 5. Mai 2018, Volkshaus Graz

„Hatten Marx und Engels doch recht” fragen sich viele PolitikerInnen Ökonomen und Journalisten rund um den Globus. Ist der Kapitalismus am Ende und was kommt danach.

Viele Kriege weltweit, insbesondere der blutige Konflikt in der Ukraine zwischen USA-NATO gegen Russland oder umgekehrt. Umweltzerstörung, kapitalistische Ausbeutung, Profitmaximierung, große Armut und Elend für die Vielen und ein enormer Reichtum der Wenigen kennzeichnen die politische Lage und die gesellschaftlichen Verhältnisse auf unseren Planeten namens Erde.

In Österreich gibt es einen Hoffnungsschimmer. Die steirischen und Grazer Kommunistinnen und Kommunisten haben sich Marx und Engels zu Herzen genommen und versuchen die Theorie des kommunistischen Manifests in der Praxis so gut wie möglich umzusetzen. Robert Krotzer Text aus dem Jahre 2018 ist bemerkenswert. Die bereits vorhandenen Erfolge der KPÖ konnten bei den Grazer Gemeinderatswahlen im September 2021 abermals gedopt werden. Mit 15 GemeinderätInnen drei Stadtratssitze und Elke Kahr als Bürgermeisterin wurde die KPÖ mit 28,84 Prozent die stimmenstärkste Partei in der zweitgrößten Stadt Österreichs.

„Eine nützliche Partei für das tägliche Leben – und die großen Ziele der ArbeiterInnenbewegung!“

Unsere täglichen Rückmeldungen kommen von GrazerInnen und SteirerInnen, die in der KPÖ eine (neue) politische Heimat gefunden haben, von ArbeiterInnen und prekär Beschäftigte, die hier ihre sozialen Interessen vertreten sehen, von MieterInnen, die den Einsatz für leistbares Wohnen schätzen, von enttäuschten SozialdemokratInnen oder linken Grünen, von Menschen, denen die KPÖ mit ihrem Sozialfonds aus einer Notlage geholfen hat, von Umweltbewegten, die die klare Haltung zum Murkraftwerk ebenso schätzen wie fortschrittliche Intellektuelle das Auftreten gegen Rassismus und Spaltung – ein Mix, so bunt wie das Leben in einer kleinen österreichischen Großstadt eben.

Sie alle kennen ‚ihre‘ KPÖ – von hunderten Infoständen über all die Jahre, von Plakaten und Steckaktionen, von Festen, Fußballturnieren oder Konzerten, von Demonstrationen, BürgerInneninitiativen und politischen Aktionen, aus der Nachbarschaft, dem Gemeindebau, von der Uni oder dem Betrieb. Ähnlich sieht es auch in den obersteirischen Industriestädten – von Knittelfeld bis Mürzzuschlag – aus.

Damit ist es in der Arbeit von Jahrzehnten gelungen, aus der gesellschaftlichen Isolation (teilweise) auszubrechen, Kontakte und Netzwerke zu knüpfen, zur Ansprechpartnerin für die arbeitende Bevölkerung zu werden, widerständisches Denken im Alltag zu entwickeln, zu fördern und zu stärken. Das ist der Unterbau auf dem die wahlpolitischen Erfolge der steirischen KPÖ stehen, die sich derzeit in Form von zwei Landtagsmandaten, zwei Vizebürgermeisterinnen, vier StadträtInnen, 44 GemeinderätInnen und 35 BezirksrätInnen zu Buche schlagen. Dazu kommen vier Mandate in der Arbeiterkammer sowie 15 BetriebsrätInnen des GLB-KPÖ und vier Mandate in den Grazer Hochschulvertretungen durch den Kommunistischen StudentInnenverband.

All diese Mandate sind für uns steirische KommunistInnen kein Selbstzweck, sondern Resultat der außerparlamentarischen Arbeit der Partei. Nur der stete Kontakt und Einsatz für und mit den Menschen kann die antikommunistische Propaganda nicht nur neutralisieren, sondern in dem Sinn umdrehen, dass nicht wenige Menschen in Graz und der Steiermark sagen: „Ihr seid die einzige Partei, der ich noch etwas glaube.“

Die Leitlinie der Politik der KPÖ Steiermark ist seit gut 30 Jahren die Losung „Eine nützliche Partei für das tägliche Leben – und die großen Ziele der ArbeiterInnenbewegung!“. Darin drückt sich auch die Dialektik revolutionärer Politik in nicht-revolutionären Zeiten aus. Ohne die Verbindung der täglichen Arbeit mit den großen Fragen, wäre die steirische KPÖ eben jene „Kümmerer- und Caritas-Partei“, als die sie von ultralinken Kräften gerne abgekanzelt wird – wohlgemerkt ohne dass jene eine andere, wirkungsvolle Form der politischen Praxis anzubieten hätten.

Das alltägliche Leben und die alltäglichen Sorgen der Menschen begreifen und dann handeln

Dazu gehört auch die Sozialrechtsberatung, die in allen Büros der KPÖ Steiermark angeboten wird – und die von außen oftmals auf die finanzielle Unterstützung von Menschen aus den Polit-Gehältern der MandatarInnen reduziert wird. Hierbei geht es aber um wesentlich mehr: Rechtliche Beratung, Aufklärung über Ansprüche, Unterstützung bei Anträgen, Darlegung von politischen Hintergründen, politische Diskussionen, ein offenes Ohr zu haben, das Erörtern von Problemen und die Ableitung der Politik daraus – und in Notsituationen selbstverständlich auch finanzielle Unterstützung aus den Gehältern der MandatarInnen. Beides – die rechtliche Beratung wie die soziale Unterstützung mit dem eigenen Gehalt – schafft Vertrauen, Glaubwürdigkeit, eine deutliche Unterscheidung von den bürgerlichen Parteien und nicht zuletzt auch den Kontakt mit jenen Teilen der ArbeiterInnenklasse und den armen Bevölkerungsschichten, die über herkömmliche Politikformen kaum oder gar nicht zu erreichen sind.

Auf den Erfahrungen und den Kontakten aus den Sozialberatungen der steirischen KPÖ fußen nicht zuletzt drei der größten außerparlamentarischen Proteste in der Steiermark der letzten Jahrzehnte – die „Plattform 25“, die Abschaffung des Angehörigen-Regresses sowie die Kampagne gegen die Kürzung der Wohnbeihilfe. Gelingt das Herunterbrechen großer Fragen und die Nützlichkeit für den Alltag der Menschen nämlich nicht, ist der „Gebrauchswert“ einer revolutionären Partei für die ArbeiterInnenklasse und die armen Bevölkerungsschichten bestenfalls ein sehr eingeschränkter. Diese Einsicht beschränkt sich nicht auf die Steiermark und das Jahr 2017: Jede revolutionäre Bewegung – historisch wie gegenwärtig – konnte nur Wirkmächtigkeit erlangen, wenn es ihr gelang, an die Probleme, Sorgen und auch Sehnsüchte der breiten Massen anzuknüpfen, eine „konkrete Utopie“ erfahrbar zu machen und dies in ein politisches Programm und gemeinsame Aktion zu gießen.

„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.“ – Der Marxismus als Fundament und Kompass

Über die Bedeutung Marxismus heißt es in der Kurzfassung des Landesprogramms der steirischen KPÖ:
„Kommunistisches Engagement speist sich aus vielen Quellen. Als Marxistinnen und Marxisten sind wir besonders dem Erbe der Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus – Marx, Engels und Lenin – verpflichtet, ebenso wie dem Vermächtnis anderer marxistischer Denkerinnen und Denker und Revolutionärinnen und Revolutionären der österreichischen und internationalen Arbeiterbewegung. Kommunistische Bewegung bedarf einer auf dem Marxismus fußenden Theorie. Die Verbindung des wissenschaftlichen Sozialismus mit den sozialen, ökologischen und politischen Bewegungen, die Verbreitung unserer Anschauungen gegen den herrschenden Zeitgeist sind entscheidende Grunderfordernisse und Ansprüche an unser Handeln.“

Der Marxismus ist folglich das Fundament unseres politischen Wirkens und zugleich Kompass unserer alltäglichen politischen Praxis. Die von Marx erkannten Grundgesetze des kapitalistischen Produktionsweise sind bis heute unwiderlegt und die von ihm entdeckten Widersprüche treten jeden Tag aufs Neue und verschärft hervor. Kaum ein anderer Denker würde öfter tot gesagt als Karl Marx und zeigt sich, dass sich seine Analysen zwar verdrängen lassen – aber immer wiederkehren. Die weltweite Verteilung des Vermögens, die Frage der Zukunft der Arbeit oder die wieder entstandene Debatte über Lage und Rolle der ArbeiterInnenklasse zeigen, dass Marx trotz seines 200. Geburtstags nicht zum alten Eisen gehört. Noch heute gilt dasselbe Grundgesetz des Kapitalismus, das Karl Marx aufgedeckt hat; nämlich aus Geld durch Ausbeutung mehr Geld zu machen – ohne Rücksicht auf Menschen, Tiere und die Umwelt.

Der himmelschreiende Irrsinn an diesen Verhältnissen, die schon Marx analysiert hat, ist dabei, dass unsere Gesellschaft und unsere Welt so reich ist, wie nie zuvor und technisch so weit entwickelt ist, dass längst ein erfülltes, ein glückliches, ein befreites Leben für alle Menschen möglich wäre, wenn wir erst einmal die Fesseln des Kapitalismus abgestreift haben. Davon sind wir heute weit, weit weg, darüber brauchen wir uns keine Illusionen machen. Aber wenn wir nicht zulassen wollen, dass unser Leben, unsere Zukunft und unser Glück gänzlich von der Diktatur des Profits bestimmt wird auf Kosten von Menschen, Natur und auch Tieren, brauchen wir den Wiederaufbau einer ArbeiterInnenbewegung.

Die politische Herausforderung ist die Organisierung einer wieder erstarkten ArbeiterInnenbewegung

Wir brauchen den Wiederaufbau einer ArbeiterInnenbewegung, die die alltäglichen sozialen Interessen der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung thematisiert und sie auch gegen die Übermacht der neoliberalen und rechten Parteien, Medien, Lobbys und Denkfabriken der Superreichen vertritt.

Wir brauchen den Wiederaufbau einer neuen Arbeiterbewegung als bodenständige Linke, die gemeinsame Interessen benennt, die Brücken baut, Bewusstsein schafft, Solidarität organisiert, Alternativen aufzeigt. Die ihre Politik von unten nach oben und auf Augenhöhe mit den Menschen entwickelt und aus der Organisation alltäglicher Kämpfe für ein besseres Leben den Bogen spannt zu einer Perspektive, die den Kapitalismus überwindet und für eine sozialistische Zukunft eintritt.

Wir brauchen eine Arbeiterbewegung, derer Fundament und Kompass der Marxismus ist, die auf der Höhe der Zeit und prinzipienfest ist, aber ohne verengten Geist, mit hellem Kopf und dem Herz am richtigen Fleck.

Wir brauchen eine ArbeiterInnenbewegung, die Bildung und Wissenschaft, Humanismus und Solidarität hochhält gegen neoliberale Dogmen und Verdummung, gegen Kriegspropaganda und Rassismus, gegen dumpfe Verschwörungstheorien und religiösen Fundamentalismus jeder Art.

Und wir brauchen eine ArbeiterInnenbewegung, die so vielschichtig ist, wie die ArbeiterInnenklasse selbst – weiblich, männlich oder queer, fest angestellt, prekär beschäftigt oder erwerbslos, österreichisch und international, ob jung oder alt.

Die KPÖ Graz und die KPÖ Steiermark verstehen sich als Teil dieser Arbeiterbewegung

Die Kommunistinnen und Kommunisten haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele Schritte zu Wiederbelebung der Arbeiterschaft gesetzt. Dabei können wir nicht zaubern, sondern sind vom Einsatz und Engagement aller AktivistInnen, SympathisantInnen und FreundInnen der Partei abhängig – und aller, die noch den Weg zu uns finden werden und die wir mit offenen Armen empfangen, wenn sie mit uns und den Menschen für eine gerechtere Gesellschaft eintreten wollen.

Die aus unserer Politik resultierende gesellschaftliche Verankerung und gewisse Stärke wollen wir nützen – nicht, um uns dem Mainstream anzunähern und bei den Etablierten „anzukommen“, sondern um Angriffe auf die arbeitenden Menschen abzuwehren und um die Bedingungen für gesamtgesellschaftliche Veränderungen zu verbessern.

Unsere Hoffnung liegt im Aufbau von Widerstandsstrukturen in Österreich, Europa und weltweit

Für uns gibt es keine Alternative zur aktiven, unermüdlichen, solidarischen, demokratischen Organisation der revolutionären Gegenmacht. Dabei stehen wir nicht alleine, sondern mit uns Millionen Menschen weltweit. Und wir stehen in einer langen Tradition, zu der nicht zuletzt die sozialistische Oktoberrevolution zählt und eine einhundertjährige Geschichte als KPÖ, deren Gründung wir heuer im November begehen werden. Unser Ziel ist und bleibt es, mit Karl Marx gesprochen, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.”

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